In Österreich erhalten Rechte und Pflichten von Muslimen eine neue Grundlage. Nach kontroverser Aussprache verabschiedete das österreichische Parlament am Mittwoch in Wien ein neues Islamgesetz. Im Nationalrat stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten für das Gesetz. Die Zustimmung im Bundesrat Mitte März gilt aufgrund der Mehrheitsverhältnisse als Formsache. Mehrere islamische Organisationen kündigten unterdessen gegen die Novelle Verfassungsbeschwerde an.
Kultusminister Josef Ostermayer (SPÖ) trat dem Vorwurf entgegen, das Islamgesetz stelle die Muslime unter Generalverdacht. Als Hinweis auf die Wirksamkeit des Verbots der angestrebten Auslandsfinanzierung islamischer Religionsgemeinschaften wertete er die Kritik aus der Türkei an diesem Vorhaben. Auch Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) argumentierte, damit habe man wohl einen "wesentlichen Punkt getroffen", weil manche um ihren Einfluss fürchten. Es handle sich auch nicht um eine Ungleichbehandlung, denn in anderen Religionen würden nicht in großer Zahl Prediger nach Österreich geschickt oder eine dauerhafte finanzielle Unterstützung wie im Islam durch ausländische Staaten geleistet. "Der Islam gehört zu Österreich. Wir haben als erstes Land in Europa den Islam anerkannt, und das schon 1912", sagte Kurz, der auch Außenminister ist.
Vorbildcharakter des Islamgesetzes für europäische Länder
Mehrere Abgeordnete der Regierungskoalition von SPÖ und ÖVP hoben den Vorbildcharakter des Islamgesetzes für andere europäische Länder hervor. Nach dem neuen Islamgesetz erhalten die anerkannten islamischen Religionsgemeinschaften den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Dies betrifft die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich und die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft. Als Voraussetzung für die Anerkennung nennt das Gesetz einen dauerhaften Bestand, wirtschaftliche Selbstständigkeit und eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat.
Zudem sollen die Religionsgemeinschaften verpflichtet werden, ihre Lehre und wesentlichen Glaubensquellen wie den Koran in deutscher Sprache darzustellen und innerhalb der Religionsgesellschaft bestehende Traditionen angemessen zu berücksichtigen. Der österreichische Bundeskanzler kann aus Gründen der inneren Sicherheit die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft ablehnen.
Die islamischen Glaubensgemeinschaften werden zudem dazu verpflichtet, Imame zu entlassen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Darüber hinaus dürfen Muslime eigene Seelsorger bestellen. Zugesichert wird ihnen auch der dauerhafte Erhalt islamischer Friedhöfe, das Recht zu schächten oder zur männlichen Beschneidung. Bis Januar 2016 soll zudem an der Universität Wien eine Ausbildungsstätte für den geistlichen Nachwuchs eingerichtet werden.
Göttinger Staatsrechtler stellt striktes Finanzierungsverbot in Frage
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bezeichnete deren religionspolitischer Sprecher, Franz Josef Jung, das Anliegen des österreichischen Gesetzes als grundsätzlich richtig. Für Deutschland sei ein entsprechendes Gesetz nicht erforderlich. Dennoch sei auch in Deutschland zu fragen, ob es auf Dauer gut sei, wenn Imame aus dem Ausland finanziert und entsandt werden, sagte der Unionspolitiker.
Der Göttinger Staatsrechtler Hans Michael Heinig sieht in dem österreichischen Islamgesetz kein Vorbild für Deutschland. "Die Voraussetzungen für Religionsunterricht, Militär- und Gefängnisseelsorge oder den öffentlich-rechtlichen Status sind von Verfassung wegen für alle Religionsgesellschaften gleich und Verträge benötigen die Zustimmung beider Seiten", sagte Heinig dem epd. Einzelne Bestimmungen des österreichischen Islamgesetzes, wie Lehrstühle für islamische Theologie und besonderen Feiertagsschutz seien in Deutschland bereits rechtlich geregelt.
Richtig erscheint dem Staatsrechtler das Ziel, einer Abhängigkeit der islamischen Verbände und Gemeinden von ausländischen Geldgebern entgegenzuwirken. Allerdings äußerte Heinig Zweifel, ob ein striktes Finanzierungsverbot das richtige Mittel für einen freiheitlichen Verfassungsstaat sei. Zumindest müsste sich dann der Staat selbst stärker finanziell engagieren, gab er zu bedenken.