"Pegida": Wissenschaftler fordern neues Leitbild für Deutschland

"Pegida": Wissenschaftler fordern neues Leitbild für Deutschland
Die islam- und asylfeindlichen Proteste von Bewegungen wie "Pegida" weisen nach Ansicht von Wissenschaftlern auf einen Riss in der Gesellschaft hin.

Auf der einen Seite stünden diejenigen, die Vielfalt wollten und Flüchtlinge willkommen hießen, sagte der Vorsitzende des Rats für Migration, Werner Schiffauer, am Montag in Berlin. Auf der anderen Seiten gebe es diejenigen, die Zuwanderung ablehnten, selbst aber kaum damit konfrontiert seien. Um sie einzuholen, brauche die Bundesrepublik ein neues Leitbild, forderte Schiffauer. Der Kulturwissenschaftler regte dazu die Gründung einer Kommission unter Federführung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), an.

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"Die Illusion eines ethnisch homogenen Nationalstaats ist einfach nicht mehr zeitgemäß", sagte Schiffauer. Deutschland sei ein Einwanderungsland, betonte er. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es in Deutschland den Konsens "Nie wieder Auschwitz" gegeben, nach 1989 den Willen zum Zusammenwachsen. Solche Leitbilder strahlten in die Praxis und den Alltag aus. Nun werde ein Leitbild für Vielfalt in der Gesellschaft benötigt.

Der Bielefelder Rechtsextremismusforscher Andreas Zick, sagte, "Pegida" knüpfe an bereits in der Gesellschaft vorhandene Einstellungen an, die bislang meist "hinter den Gardinen" gehalten wurden. Diejenigen, die solche Einstellungen teilten, könnten nun "radikal durch die Stadt flanieren", sagte er.

Zick warnte besonders vor einer Tendenz zum "marktförmigen Extremismus", der allein den wirtschaftlichen Nutzen eines Menschen in den Vordergrund stellt. Die Debatte um Migration, bei der nach der Arbeitskraft beispielsweise von Flüchtlingen gefragt werde, unterliege häufig einem "Kosten-Nutzen-Kalkül", das letztlich nur Vorurteile nähre. Diese "Sklavenmarktmentalität" sei problematisch. Zivilgesellschaft lasse sich nicht nach Kosten und Nutzen berechnen, warnte er.

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Die stellvertretende Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung, Naika Foroutan, warnte vor allem vor einer um sich greifenden Ablehnung von Muslimen. "Muslime werden sukzessive aus dem deutschen Wir ausgeschlossen", sagte sie. Sie beklagte geringes Wissen über die Muslime in Deutschland und verwies auf eine Studie, die offenbarte, dass 70 Prozent der Deutschen den Anteil der Muslime in Deutschland überschätzen. Wenn allen klar wäre, dass sie nur fünf Prozent der Bevölkerung ausmachten, wäre deutlich, dass man nicht gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes demonstrieren müsste, sagte sie.