Viele der bislang in den "Körperwelten"-Ausstellungen zu sehenden Ganzkörperfiguren sorgten zwar für Emotionen. "Sie klären aber nicht mehr über den Bau des menschlichen Körpers auf", sagte Schnalke in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Bei der Darstellung etwa eines Schachspielers, Fechters oder Basketballspielers werde "der menschliche Körper alleine in der Absicht zur Schau gestellt, mit ihm Aufmerksamkeit zu erzielen", sagte der Mediziner. Er sprach von einer effektheischende Aufbereitung von "Eventleichnamen".
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Der Medizinhistoriker forderte eine gesellschaftliche Debatte "darüber, ab wann der didaktische Raum verlassen wird und ab wann die Darstellung ins Ereignishaft-Spielerische abdriftet". Er halte es ethisch für nicht vertretbar, "einen Eventleichnam im Schauraum auszustellen". Schnalke unterrichtet Medizingeschichte an der Berliner Charité.
Für die geplante Berliner "Körperwelten"-Dauerausstellung unter dem Fernsehturm wünscht sich Schnalke, "die Anatomie des menschlichen Körpers so zu erklären, wie es heute dem Stand der Dinge entspricht". Langfristig wäre eine didaktisch aufbereitete Präsentation erfolgreicher, "als eine effektheischende Darbietung, die nach einem halben Jahr ihre Anziehung verloren hat". Er würde deshalb auf die ganzfigurlichen "Show-Leichname" grundsätzlich von Anfang an verzichten. Außerdem fände er es gut, wenn die Objekte auf Distanz präsentiert werden, so dass sie nicht angefasst werden können.
Schnalke warnte davor, den toten Menschen nachträglich in eine öffentliche Position zu rücken, "die dem Körperspender zu Lebzeiten so vermutlich nicht klargemacht worden ist". Als Beispiel nannte er die Darstellung eines kopulierenden Paares, das in einer der Ausstellungen zu sehen war. Schnalke sprach sich weiter gegen "das 'freie' Manipulieren am toten menschlichen Körper" aus: "Das bekommt schnell den Anschein von Leichenfledderei."
Zugleich lobte Schnalke die Technik der Plastination. "Viele Detailpräparate, die in den 'Körperwelten'-Ausstellungen zu sehen sind, wie etwa komplizierte Gelenke oder innere Organe, sind sehr gelungen und didaktisch gut aufbereitet." Der Plastinator Gunther von Hagens habe bei der Fertigung der Plastinate mit der von ihm entwickelten Technik eine "absolute Meisterschaft" erlangt.
Das Medizinhistorische Museum der Berliner Charité zeigt in seiner Dauerausstellung rund 750 pathologisch-anatomische Präparate sowie Modelle und Abbildungen. Pro Jahr werden rund 80.000 Besucher gezählt.