Drama um Frühchen: Der Tod lauert im Krankenhaus

Drama um Frühchen: Der Tod lauert im Krankenhaus
Es ist der Horror aller Eltern. Ausgerechnet im Krankenhaus, wo das Leben ihres Babys eigentlich gerettet werden soll, lauert der Tod. Bakterien sind für gesunde Erwachsene harmlos, doch für die winzigen Patienten können sie zur todbringenden Gefahr werden - vor allem wenn die Erreger nicht auf Antibiotika reagieren.
01.03.2012
Von Irena Güttel

In Bremen sind nun zum zweiten Mal Babys gestorben, nachdem in einer Klinik resistente Darmbakterien aufgetaucht sind. Eltern und Experten sind geschockt. Wochenlang war die Intensivstation für Früh- und Neugeborene geschlossen. Sie wurde umfassend desinfiziert und umgebaut, das Personal noch einmal geschult. Trotzdem ist der gefährliche Erreger wieder da, an dem im vergangenen Jahr bereits drei Frühchen gestorben waren.

Der Vorsitzende des Bundesverbands "Das frühgeborene Kind", Hans-Georg Wirthl, spricht von einem Skandal. "Natürlich verunsichert das die Eltern. Sie haben ja keine Wahl, sie müssen sich dem Krankenhaus anvertrauen." Dass ihr Baby stirbt, damit müssen Eltern von Frühchen jeden Tag rechnen. Denn je kleiner die Kinder bei der Geburt sind, desto geringer sind ihre Überlebenschancen. Deshalb hat die Hygiene auf diesen Stationen oberste Priorität.

Ursache weiterhin unklar

Wie sich die Bakterien im Klinikum Mitte verbreiten konnten, ist nach wie vor unklar. Die Bremer Landesregierung hat die Abteilung inzwischen geschlossen. In der Vergangenheit gab es auch in anderen Krankenhäusern immer wieder tödliche Infektionswellen auf Frühchenstationen. Doch in dem Ausmaß ist Bremen nach Ansicht der Direktorin vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Berliner Charité, Petra Gastmeier, deutschlandweit ein Einzelfall.

"Das ist wirklich eine extrem unglückliche Verkettung der Umstände. Das ist nicht der Standard, den man auf neonatologischen Stationen zu erwarten hat", sagt die Expertin. Sie vermutet, dass ein Krankenhausmitarbeiter die resistenten Darmkeime in sich trägt und versehentlich auf die Kinder übertragen haben muss. "Wenn die Station zwei Monate geschlossen war, müssten eigentlich alle Umweltquellen ausgeschlossen sein." Schließlich wurden Möbel, medizinische Geräte und Materialien ausgetauscht, Böden und Wände desinfiziert.

Die Schwachstelle bei der Hygiene ist in den meisten Fällen der Mensch, da sind sich die Experten einig. "Mein Eindruck ist, dass Krankenhäuser zunehmend an Personal sparen", meint Wirthl. Und wenn es dann mal hektisch wird, ein Mitarbeiter von einem Patienten schnell zum anderen wechseln muss, dann kann er leicht das Desinfizieren der Hände vergessen.

"Wir haben eine Sicherheitskultur"

Generell sei Routine im Klinikalltag eine Gefahr, sagt Iris Chaberny, die Fachgruppenvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie. "Man muss immer aufmerksam bleiben." Der Bremer Fall sollte ein Anstoß für alle Krankenhäuser sein, ihre Hygienemaßnahmen und Arbeitsabläufe erneut auf den Prüfstand zu stellen. "Wir haben in Deutschland eine Sicherheitskultur. Wir denken, dass wir das Risiko bei allem auf Null setzen können. Doch das ist nicht möglich."

Dank des medizinischen Fortschritts können Ärzte heute Patienten retten, die früher als unheilbar krank galten. Inzwischen haben sogar Babys, die ab der 22. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, eine Überlebenschance. Nur etwas mehr als 500 Gramm wiegen manche von ihnen. Sie haben noch kein funktionierendes Immunsystem und ihre Organe arbeiten nicht richtig. Dennoch kommen viele durch.

Die Kehrseite des Fortschritts: "Wenn man diese Kinder am Leben erhalten will, dann werden natürlich jede Menge Katheter und Inkubationstuben in sie hineingesteckt", erläutert Gastmeier. Jede davon erhöht die Gefahr, dass Bakterien in die empfindlichen Körper gelangen können. Am Ende sterben die Frühchen, die ohne Behandlung nicht überlebt hätten, genau wegen dieser an einer Infektion.

dpa