Hochhausarchitektur: Zottelige Riesen und Himmelsgärten

Hochhausarchitektur: Zottelige Riesen und Himmelsgärten
"Groß genug" ist das Wochenthema der evangelischen Fastenaktion "7 Wochen ohne". Die Hochhäuser, die Mun Summ Wong und Richard Hassell von der Architekturfirma WOHA entwerfen, sind "groß genug": Den Architekten geht es nicht um Höhenrekorde. Ihre Häuser sind luftdurchlässig, porös und begrünt – in diesem Sinne "atmen" sie und wirken lebendig.
24.02.2012
Von Franziska Fink

Gebäude, die sich gegen ihre Umwelt abgrenzen und als abgeriegelte Schutzräume dienen? Das finden die WOHA-Architekten langweilig, sie haben sich von der westlichen Bauweise abgewendet. Die Klimabedingungen in Asien ermöglicht es den Architekten mit Sitz in Singapur, sich an traditionelle asiatische Bauweisen anzulehnen. Offene Baustrukturen schaffen Luftkorridore und erreichen, dass die Luft zirkulieren kann und sorgen so für Kühlung. Klimaanlagen sind hier nicht länger nötig. Überhaupt spielt Ökologie eine große Rolle: Natürliche Beleuchtung, Energiegewinnung durch Solarmodule, Aufbereitung von Regenwasser und vertikale Begrünung gehören zum WOHA-Konzept.

Die Gebäudekomplexe haben dabei ein eher sprödes Erscheinungsbild und wirken nicht so glatt und fassadenhaft wie westliche Hochhäuser. Pflanzen ranken sich an Hunderten Meter hohen Außenfassaden entlang oder hängen überwuchernd von schirmartigen Vorsprüngen herunter und erzeugen so das Bild einer Science-Fiction-Utopie: Es scheint, als ob sich die Natur unsere Welt zurückerobert.

Wie genau diese außergewöhnliche Baukunst aussieht, kann man zurzeit im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt in der Ausstellung "WOHA. Architektur atmet" sehen. Die Idee für eine erste monografische Ausstellung zu WOHA entstand, nach dem die Architekten mit ihrem Hochhaus "The Met" den Internationalen Hochhaus Preis 2010 gewonnen hatten. Unter den Finalisten war auch das "Burj Khalifa" in Dubai, das mit 828 Metern derzeit größte Hochhaus der Welt.

Es geht nicht um Höhenrekorde

Doch anders als bei seinem mehr als dreimal so hohen Konkurrenten aus Dubai, steht bei "The Met" in Bangkok nicht die Größe im Mittelpunkt. Grenzen werden hier auf andere Art und Weise gesprengt, denn bei WOHA werden sie aufgelöst, Durchlässigkeit und Porösität spielen die Schlüsselrolle: Das Hochhaus wird zu einer offenen Landschaft.

Das überzeugte auch die Jury, erzählt Brita Köhler vom Deutschen Architekturmuseum: "Die Jury war fasziniert von der anderen Bauweise, der anderen Herangehensweise im Gegensatz zu den klassischen amerikanischen Hochhäusern, die sehr hermetisch abgeriegelt sind."

Die Permeabilität der WOHA-Gebäude wird auch durch sogenannte "Sky Gardens" (Foto links: WOHA) ermöglicht, die die kompakten Gebäudefiguren auseinanderziehen und durchbrechen. Dabei werden in regelmäßigen Abständen zwischen den Etagen vertikale Grünebenen angelegt, die oft durch Schwimmbecken, Wasserfälle und Terrassen ergänzt werden und zum Flanieren und Verweilen einladen.

Damit soll gleichzeitig der Anonymität von Hochhauskomplexen entgegengewirkt werden. "Normalerweise hat man seinen Straßenzug und seine Nachbarschaft, das findet in den Hochhäusern leider zu wenig statt", erklärt Köhler das Konzept. "WOHA versucht es zu verwirklichen, indem sie überschaubare Einheiten schaffen, die dann öffentlich Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftsgärten haben, wo sich Nachbarn treffen, auch innerhalb eines Hochhauskomplexes."

Dorfgemeinschaften in schwindererregender Höhe

Dazu gehört auch, dass - anders als bisher - nicht jeder Bewohner mit seinem Aufzug direkt zu seiner Wohnetage fährt, sondern über diese Gemeinschaftsplätze gehen muss, um zu seinem Apartment zu gelangen. Das Konzept geht auch im wahren Leben auf, wenn auch manchmal mit ungeplanten Zwischenfällen. So gäbe es Anekdoten darüber, "dass ein Bewohner aus dem 35. Stock von einer Biene gestochen wurde und sich erst mal darüber echauffiert und im nächsten Moment aber gemerkt hat, was das eigentlich für eine Qualität hat, dass in einem Gebäude ein richtiges Klima entsteht", schmunzelt Köhler.

Wohnhochhaus Newton Suites in Singapur. Foto: Patrick Bingham-Hall

Diese Verbesserungen des Wohn- und Lebensstandards sind umso wichtiger, weil in asiatischen Metropolen nur eine begrenzte Bodenfläche vorhanden ist und die Städte immer mehr in die Höhe wachsen müssen. Die durch "Sky Gardens" und Gemeinschaftsflächen zusammengefassten Wohneinheiten erinnern an Dorfgemeinschaften, die Nachbarschaft wird wieder übersichtlich.

Grüner geht immer

WOHA geht es also nicht um Größe und Höhe allein. Stattdessen stellen die Architekten lieber ihre eigenen Superlative auf. So steigern sie mit jedem Bauprojekt die Begrünung. Den vorläufigen Höhepunkt wird das Hochhaus Oasia Downtown in Singapur bilden, das voraussichtlich 2014 fertig gebaut sein wird.

Der bepflanzte Anteil des Gebäudes wird dann sagenhaften 750 Prozent der Grundstücksfläche entsprechen. WOHA haben durch diesen Vorbildcharakter mittlerweile sogar in manchen tropischen Ländern die Änderung von Baugesetzen bewirkt. Richtlinien schreiben nun einen gewissen Anteil von Grünflächen vor.

Was aber lässt sich von den WOHA-Architekturvisionen hier in Europa umsetzen? Die klimatischen Bedingungen hierzulande setzen natürlich klare Grenzen. Trotzdem wird es spannend sein, zu sehen, wie WOHA Elemente östlicher Architektur auch hier verwirklicht. Zurzeit nehmen die Architekten an einem Wettbewerb zum Areal rund um den Henningerturm in Frankfurt teil, das neu geplant und umgebaut werden soll. "Wir sind auf jeden Fall schon ganz gespannt", so Köhler, "was WOHA für eine Lösung entwickeln werden."


Franziska Fink arbeitet als freie Journalistin bei evangelisch.de.