Der Papst lässt sich mit seiner Entscheidung Zeit. Seit Kardinal William Levada aus Altersgründen sein Rücktrittsgesuch eingereicht hat, brodelt es in der Gerüchteküche. Wer wird neuer Präfekt der mächtigen römischen Glaubenskongregation? Immer wieder fällt der Name des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller. "Der Papst oder diejenigen, die in seinem Auftrag tätig sind, müssen überlegen, wer für bestimmte Aufgaben infrage kommt - da ergibt sich meist ein bestimmter Personenkreis", sagte Müller der Nachrichtenagentur dpa. Dass er diesem Personenkreis angehört, gilt als unzweifelhaft.
"Sicher gab es schon Gespräche mit Rom darüber", sagt der Bischof, der in der Deutschen Bischofskonferenz Vorsitzender der Ökumene-Kommission ist. Doch ansonsten hält sich der 64-Jährige bedeckt. Es soll nicht der Eindruck entstehen, er schiele auf das Amt. "Es würde mich nicht in dem Sinne reizen, dass ich es für mein eigenes Ego bräuchte, aber es ist natürlich eine Tätigkeit, die mit meinem bisherigen Werdegang als Theologie-Professor viel zu tun hat." Das nötige fachliche Wissen brächte Müller mit, der jahrelang an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Dogmatik lehrte und dort bis heute Honorarprofessor ist.
"Es gehört sich nicht, dem Papst gegenüber Nein zu sagen"
Die Glaubenskongregation hat sich dem Schutz der "Glaubens- und Sittenlehre" verschrieben. Für Müller könnte auch sprechen, dass er schon Mitglied dieser bedeutendsten Vatikan-Behörde ist und sich daher mit deren Strukturen auskennt. Doch der Posten ist keiner, um den sich Bischöfe beim Heiligen Stuhl bewerben. Wer ausgewählt wird, folgt dem Ruf des Papstes. "Formell könnte man natürlich Nein sagen, aber es gehört sich einfach nicht, dem Papst gegenüber Nein zu sagen", erläutert Müller.
Der konservative Kirchenmann gilt als Hardliner unter den deutschen Bischöfen. Bei der Kirchenbasis wird er teilweise sehr kritisch gesehen. "In Rom richtet er womöglich noch mehr Schaden an als in Regensburg", sagt die Regensburger Vorsitzende der Vereinigung "Wir sind Kirche", Sigrid Grabmeier. Sie befürchtet, die katholische Kirche werde mit steigendem Einfluss Müllers restriktiver und rückwärtsgewandter werden. Theologisch liege Müller ganz auf der Linie des Papstes, erklärt "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner. Es sei aber die Frage, ob dieses sehr traditionelle Kirchenverständnis in die heutige Zeit der katholischen Weltkirche passe und zukunftsfähig sei.
Für Müller könnte das größte Hindernis seine Nationalität sein. "Zwei Deutsche an der Spitze des Vatikans - das kann auf Kritik stoßen, weil andere Nationen auch Interesse haben, Vertreter zu senden", sagt der emeritierte Regensburger Dogmatik-Professor Wolfgang Beinert. Er rät davon ab, zu viel zu spekulieren. "Selbstverständlich hat der Papst die letzte Kompetenz." Wann die Nachfolgerfrage akut werde, sei noch völlig offen. "Der Papst kann frei darüber entscheiden, wann er Levadas Rücktrittsangebot annimmt." Es habe sich eingebürgert, Kardinäle einige Zeit länger im Amt zu lassen - um ihnen Anerkennung zu zollen.
Am Ende entscheidet der Papst
Die Römische Kurie ist die zentrale Verwaltungsbehörde der katholischen Kirche. Vergleichbar der Aufteilung eines Staatsapparates in Ministerien ist der Vatikan in neun Abteilungen unterteilt, sogenannte Kongregationen. Als wichtigste gilt die Glaubenskongregation, die früher die Inquisitionsbehörde des Vatikans war. Sie kümmert sich um alle Angelegenheiten, die mit Glaube und Sitte zu tun haben. "Der Chef der Glaubenskongregation ist der zweitwichtigste Mann im Vatikan", erläutert Beinert. Bevor er Papst wurde, hatte Joseph Ratzinger selbst lange Zeit dieses Amt inne. Er und Bischof Müller gelten als enge Vertraute.
In Rom übernähme Müller zwar weniger seelsorgerische Arbeit als in Regensburg. "Die meisten, die kuriale Ämter haben, sitzen aber in Rom nicht nur im Büro, sondern haben auch noch eine seelsorgerische Anbindung", erläutert er. Müller war in den vergangenen Jahren schon mehrfach für hohe Ämter im Gespräch, etwa für das des Berliner Erzbischofs. Sein weiterer Werdegang bleibt Spekulation. Müller sagt: "Am Ende muss der Papst entscheiden wann, wie und wen."