Afghanische Kinder wollen für die Zukunft lernen

Afghanische Kinder wollen für die Zukunft lernen
Wenn am Montag in Bonn die große Afghanistan-Konferenz tagt, rückt ein Land zwischen Bangen und Hoffen in den Blickpunkt. Vor zehn Jahren begann der Krieg, nun rückt der Abzug von Soldaten und Helfern näher. Die afghanischen Kinder sind ehrgeizig und lernwillig, sie wollen die Zukunft des Landes in die Hand nehmen. Das hat Julia Meixner von der Hilfsorganisation "Save the Children" erlebt.
30.11.2011
Von Bernd Buchner

Afghanistan, das gezeichnete Land: Zehn Jahre nach der Befreiung von den Taliban steht das Land vor großen Herausforderungen. Noch immer bestimmen Gewalt und Chaos das Leben der Bevölkerung. Eine internationale Konferenz will am Montag in Bonn Perspektiven für die afghanische Zukunft ausloten. Den Vorsitz führt Präsident Hamid Karsai, unter den rund 1.000 Teilnehmern werden auch Kanzlerin Angela Merkel und UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon erwartet.

Nicht nur Soldaten sind in Afghanistan im Einsatz, sondern auch zahllose humanitäre Hilfsorganisationen. Zu ihnen zählt die Kinderrechtsorganisation "Save the Children". Programmreferentin Julia Meixner war in diesem Jahr bereits zwei Mal vor Ort. Sie besuchte zwei Projekte der Organisation in Masar-i-Scharif, Dschalalabad sowie in der nordöstlichen Provinz Badachschan: "Violence Free Schools" (Gewaltfreie Schulen) sowie ein Programm zur Katastrophenvorsorge für Schulkinder.

Kontrast zwischen Kabul und Faisabad

"Die Armut in dem Land ist allgegenwärtig und ergreifend ", schildert die 30-jährige Bambergerin, "die Missstände holen einen immer wieder ein." Afghanistan zählt zu den ärmsten Ländern der Erde. Kabul sei eine lebendige und relativ moderne Stadt, auf der Straße sieht man viele modisch gekleidete Frauen, berichtet Julia Meixner. Faisabad, die Hauptstadt von Badachschan, ist ein "Kontrastprogramm". Hier gibt es nur stundenweise Strom, die Trennung von Frauen und Männern im Alltag, beispielsweise beim Essen, ist feste Tradition.

Julia Meixner (rechts) mit Teilnehmern des Programms "Violent Free Schools".

Für Save the Children sind im Land zurzeit mehr als 700 Helfer tätig, die meisten von ihnen Einheimische. Das Programm "Violence Free Schools" (gewaltfreie Schulen) gibt es bereits seit mehreren Jahren. Ziel ist es, durch ein Zusammenwirken von Lehrern, Schülern und Eltern den Schulalltag zu verbessern, die Kinder vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen und so auch Vorurteile aufzulösen. "Schulen müssen für die Mädchen und Jungen sichere Orte sein", so Julia Meixner. "Deswegen ist es wichtig, dass die Kinder über Recht und Unrecht aufgeklärt werden und aktiv an der Verbesserung des Unterrichts teilhaben können."

Bei dem Katastrophenschutzprojekt in Badachschan geht es darum, Schüler für Gefahren wie Erdbeben oder Sturzfluten zu sensibilisieren. "Es gibt kaum funktionierende Vorsorge, Katastrophen werden gerade in entlegenen Gemeinden als Schicksal oder gottgewollt ausgelegt", berichtet die Helferin. Kinder lernen in Kursen, wie sie sich besser vor Gefahren schützen können, wie sie diese vermeiden können und auch was im Notfall wichtige erste Hilfemaßnahmen sind – ihr Wissen geben die sogenannten Kindersprecher dann an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler weiter. "Peer to peer" lautet das Prinzip: Kinder lernen direkt von Kindern.

Berufswünsche: Journalistin, Ärztin, Rechtsanwältin

Die afghanische Zukunft ist jung: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. "Ich habe viele junge, selbstbewusste Afghanen getroffen", berichtet Julia Meixner. "Die Mädchen und Jungen haben klare Vorstellungen von dem, was sie wollen." Sie seien sehr ehrgeizig und lernbereit. Berührt war die Referentin vor allem von den Berufswünschen der Mädchen: Journalistin, Ärztin, Rechtsanwältin. Alles, was man für eine bessere und gerechte Zukunft Afghanistans braucht.

Den bevorstehenden Abzug der militärischen und zivilen Helfer aus Afghanistan sieht die ehemalige Kinderkrankenschwester, mit gemischten Gefühlen. Die Gefahr sei groß, dass das Land nach 2014 nicht stabil gehalten werden könne und gemachte Fortschritte in wichtigen Bereichen wie Gesundheitsversorgung und Bildung gefährdet würden. "Das wäre fatal", so Julia Meixner. Bei der Bonner Konferenz muss deshalb im Mittelpunkt stehen, "die richtigen Weichen für ein selbstbestimmtes Afghanistan zu stellen. Die Internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung haben jetzt die Möglichkeit, das Fundament für eine dauerhafte Verbesserung der allgemeinen Lebenssituation und die Umsetzung der Rechte von Mädchen und Jungen zu legen."

Den aktuellen "Save the Children"-Bericht über die Situation der Kinder in Afghanistan (in englischer Sprache) finden Sie hier.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für das Ressort Kirche + Religion.