Bilanz: Castor-Gegner und Polizei beklagen Brutalität

Bilanz: Castor-Gegner und Polizei beklagen Brutalität
Der Castor ist im Ziel: Nach mehr als fünf Tagen hat der Atommüll-Transport das Zwischenlager Gorleben erreicht. Demonstranten und Polizei ziehen eine erste Bilanz: Beide Seiten werfen sich massive Gewalt während der Proteste vor.

Nach massiven Protesten hat der letzte Castor-Transport mit hoch radioaktivem Atommüll aus Frankreich am späten Montagabend das Zwischenlager Gorleben erreicht. Der Konvoi ins niedersächsische Wendland wurde durch Blockaden tausender Atomkraftgegner immer wieder aufgehalten.

Schon jetzt steht fest: Der 13. Transport nach Gorleben dauerte mit mehr als fünf Tagen nicht nur am längsten, er wird wohl auch der bisher teuerste. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte: "Wir müssen davon ausgehen, dass er nicht günstiger wird als 2010."

Waghalsige Aktion kurz vor Gorleben

Auch die letzten 20 Kilometer auf dem Weg ins Zwischenlager wurden am Montagabend noch von einem riesigen Polizeiaufgebot gesichert. Dabei kam der Konvoi zeitweise nur im Schritttempo voran. Knapp fünf Kilometer vor dem Ziel haben die Atomkraftgegner es dann tatsächlich noch einmal geschafft: Zwei junge Demonstranten klettern auf das Führerhaus des ersten Tiefladers. Sie stoppen den Transport damit noch einmal für mehr als eine Stunde.

"Die beiden kamen praktisch aus dem Nichts", sagte der Sprecher der Polizei, Marco Bussler, der Nachrichtenagentur dpa. Schließlich gelingt es Spezialkräften der Polizei, das Duo vom Transporter zu holen. Kurz nach 22 Uhr passiert der erste der elf Tieflader dann endlich die Toreinfahrt zum Zwischenlager Gorleben.

GdP fordert nach Castor-Transport politisches Nachspiel

Die Atomkraftgegner im Wendland bewerteten ihren tagelangen Protest als Erfolg. Einmütig forderten sie, dass die Politik den Bürgerprotest endlich ernst nehmen müsse und die Planung für ein mögliches Endlager in Gorleben sofort stoppen solle.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, kritisierte die Proteste scharf. "Der Hass und die Gewalt, die meinen Kolleginnen und Kollegen von einzelnen autonomen Gruppen entgegenschlug, waren ohne Beispiel". Es sei bedrückend, dass sich auch Politiker und Bürgerinitiativen nicht eindeutig davon distanziert hätten. "Die Einsatzkräfte hatten es mit einer international besetzten Anarcho-Szene zu tun, denen das Leben von Polizisten keinen Pfifferling wert ist", sagte Witthaut. "Dieser Castor-Transport wird ein politisches Nachspiel haben müssen."

Atomkraftgegner beklagen polizeiliche Härte

Die Atomkraftgegner beklagten, dass durch den harten Polizeieinsatz 355 Demonstranten verletzt worden seien, davon fünf schwer. "Die Nervosität und Aggressivität bei den Polizeikräften ist größer geworden", bilanzierte die Bäuerliche Notgemeinschaft, in der sich vor allem Landwirte aus der Region gegen das Atomlager Gorleben zusammengeschlossen haben.

Die Polizei sei überzogen gegen die Blockierer vorgegangen. Bis zuletzt hatten die Einsatzkräfte Wasserwerfer gegen einzelne Demonstranten eingesetzt. Diese sollen Beamte unter anderem mit Feuerwerkskörpern und nagelgespickten Golfbällen beworfen und Strohballen angezündet haben.

Dagegen betonte Innenminister Schünemann, die Polizei habe keine Fehler gemacht. "Die Einsatzkräfte sind bei den Sitzblockaden sehr besonnen vorgegangen", sagte er. Nach ersten Schätzungen seien auch etwa 100 Polizisten verletzt worden. Sie waren an vielen Orten in schwere Krawalle mit gewaltbereiten Atomgegnern verwickelt worden.

"Niedersachsen hat seinen Beitrag geleistet"

Schünemann hofft nun auf ein Ende der Atommüll-Transporte nach Niedersachsen. "Wir gehen erstmal davon aus, dass Niedersachsen seinen Beitrag geleistet hat", betonte er. Zwar muss Deutschland noch Atommüll aus der Wiederaufarbeitung im englischen Sellafield zurücknehmen, die Kraftwerksbetreiber können aber selbst entscheiden, ob sie ihn nach Gorleben bringen.

Der Castor-Transport war der letzte mit hoch radioaktivem Müll aus Frankreich. Im Zwischenlager Gorleben stehen nun insgesamt 113 Behälter mit hoch radioaktivem Müll. Deutschland ist vertraglich verpflichtet, den Müll der deutschen Atomkraftwerke aus der Wiederaufarbeitung wieder zurückzunehmen.

dpa