Es gluckst aus ihm heraus, kommt von tief unten, um seine Augen ein Kranz aus Falten – Ralf Krause wirft den Kopf zurück und lacht. Er lacht viel und gern – es ist ein frohes Lachen, ein fröhliches. Ja, es geht ihm gut. Ja, er ist angekommen – endlich. Und ja, er fühlt sich befreit.
Befreit von der Unsicherheit, dass die Religion, mit der er aufwuchs, ihm nicht alles bot, wonach er suchte. Befreit von Zweifeln und Sorgen, ob sein Weg der richtige ist, befreit von einem für ihn zu pietistischen Glauben – dem evangelischen.
Ralf Krause war 16 Jahre lang evangelischer Pastor in Ostwestfalen, kümmerte sich um seine Gemeinde, feierte Gottesdienst, predigte, begleitete Sterbende, arbeitete mit Jugendlichen. 2007 wurde er Katholik. Seit ein paar Wochen ist der 46-jährige Kaplan in Hagen im Teutoburger Wald.
Gott möge ihm die Gnade geben, am Sterbebett zu bereuen
So lange wie möglich hielt er zurück, dass er konvertieren wollte. Denn er wusste: Die Reaktionen der Kollegen, der Gemeinde und der Freunde würde nicht nur verständnisvoll sein. Und er behielt recht: Freunde wandten sich von ihm ab. Ein Gemeindemitglied sagte: Gott möge ihm die Gnade geben, am Sterbebett zu bereuen. "Das hat mich bis ins Mark getroffen", sagt Krause.
Nicht alle reagierten so. Es gab Kollegen, die – wenn sie den Wechsel auch nicht verstehen konnten – ihn doch akzeptierten. Und Freundschaften, die den Übertritt überstanden haben. Hier, in Hagen im Teutoburger Wald, ist er herzlich aufgenommen worden. "Keine Sekunde lang habe ich mich als Außenseiter gefühlt, keiner hat mich schräg angeschaut oder mir misstraut." Er weiß, unter Kollegen gelten Konvertiten als anstrengend, weil sie immer besondere Betonung auf das Katholische legen. Ob er das auch tut? "Ja", sagt er und lacht wieder dieses Lachen, tief aus dem Bauch. "Besonders bei der Liturgie."
Was aber hat ihm in der evangelischen Kirche gefehlt? "Haben Sie schon einmal ein katholische Osternacht miterlebt?", fragt Krause. Die Finsternis, das Entzünden der Kerze, die Schellen, die Glocken, die mit voller Wucht einsetzen und jubilieren. Es ist das Sinnliche; der Geruch, die farbenprächtigen Gewänder, der Gesang, die ganze Atmosphäre, das ihn gepackt hat. Das erste Mal erlebte er das zum Fronleichnamsfest 1994. Seitdem gärt der katholische Glaube in ihm – und lässt ihn nicht mehr los.
Es ist das Einheitliche, das er in der evangelischen Kirche vermisst
Aber natürlich geht es nicht nur um das Erleben des Glaubens mit den Sinnen, sagt Krause. Es ist das Objektive, das er in der evangelischen Kirche vermisst, das Einheitliche, die Vorgaben, die vom Heiligen Geist, von Gott kommen. "Katholiken gehören alle unter das Dach einer Kirche. Die Liturgie ist festgelegt." Das ist für ihn ein Pluspunkt: "Überall auf der Welt – in Sydney, New York oder Rom – kann ich in die Kirche gehen und werde zum selben Text eine Predigt hören." Die evangelische Kirche sei keine Einheit, zu zersplittert, sagt er, und sie sei angebotsorientierter, freier in der Gestaltung – zu frei, findet Krause. Für ihn ist das nichts.
Und der Papst? War es nicht schwer, ihn anzuerkennen? Krauses Gesicht legt sich um die Augen herum in Falten. Er gluckst. Dann wird er wieder ernst. Schwer? "Ich habe es mir nicht einfach gemacht", sagt er. Er setze sich exegetisch, dogmatisch und historisch mit der Aufgabe des Papstes auseinander. Für Krause ist der Papst nicht nur der Stellvertreter des Sohns Gottes auf Erden, sondern auch derjenige, der die Einheit der Kirche bewahrt und den Glaube bestätigt. Jene Einheit, die ihm so wichtig ist und die ihm in der evangelischen Kirche fehlt.
Nicht nur mit dem Papst und dem Lehramt musste sich Krause auseinandersetzen. Auch mit der Verehrung der Heiligen. Oder dem Abendmahl, für das die katholische Kirche Protestanten und Geschiedene nicht zulässt. Gerade hat Papst Benedikt XVI. auf seiner Deutschlandreise deutlich gemacht, dass es vorerst keine Annährung in diesem Thema zwischen katholischer und evangelischer Kirche geben wird. Was Krause darüber denkt? Ein bisschen enttäuscht ist er schon.
Das Zölibat ist für ihn keine Neuerung
Es waren anstrengende sechs Wochen für den Kaplan. Die Weihe, dann der Umzug, die neue Gemeinde, das neue Amt. Viel hat sich trotzdem nicht geändert. Jetzt sind seine Predigten zwar kürzer, dafür predigt er täglich und das gefällt ihm sehr. Verheiratet war er nie – er wollte auch als Protestant nicht heiraten – der Zölibat ist für ihn keine Neuerung, auch wenn er nicht glaubt, dass die Single-Lebensweise jedem gut tut.
Noch hat er den letzten Karton nicht ausgepackt, noch kennt er sich nicht aus in der Umgebung von Hagen im Teutoburger Wald. Aber er weiß: Er ist angekommen. In seinem Glauben. Ohne den Weg dorthin und den evangelischen Teil in ihm zu verleugnen.
Maike Freund ist Redakteurin bei evangelisch.de