Candi Muara Jambi: Sumatras verlorene Tempelstadt

Candi Muara Jambi: Sumatras verlorene Tempelstadt
In mühevoller Kleinarbeit wird an der Ostküste Sumatras eine uralte buddhistische Tempelstadt restauriert. Sieben von 82 Gebäuden konnten bisher freigelegt werden. Die Tempel von Jambi sind die größte archäologische Anlage auf der indonesischen Insel. Die Bewohner hoffen, dass die architektonische Hinterlassenschaft des frühen Buddhismus bald zum Unesco-Weltkulturerbe zählt.
19.08.2011
Von Michael Lenz

Am Candi Kedaton geht es geschäftig zu. Wände werden abgerissen, die Ziegelsteine sorgfältig nummeriert und gestapelt, blaue Plastikplanen schützen die Arbeiter vor der heißen Sonne. “Wir müssen zunächst das Fundament des Tempels stabilisieren. Wenn das getan ist, bauen wie die Wände wieder auf und rekonstruieren den Tempel”, erklärt Agus Widiatmoko, Chefarchäologe der indonesischen Provinz Jambi an der Ostküste Sumatras.

Candi Kedaton gehört zu einem uralten buddhistischen Tempelkomplex. Die von den ehemaligen holländischen Kolonialherren Indonesiens im 19. Jahrhundert wiederentdeckte Tempelstadt aus dem 10. Jahrhundert erstreckt sich entlang eines 7,5 Kilometer langen Uferteils des Batanghari River. Künstliche Kanäle, die sowohl rituellen wie praktischen Zwecken wie dem Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienten, verbinden die 2.062 Hektar große Fläche von Candi Muara Jambi mit dem Fluss.

Im Dschungel schlummern weitere Reste

82 Tempel sind bisher bekannt, von denen aber bisher von den indonesischen Archäologen nur sieben rekonstruiert wurden. Nicht auszuschließen, dass unter dem Erdreich oder im dichten Dschungel noch mehr verwunschene Tempelreste schlummern. "Die Arbeiten hier werden von der indonesischen Regierung finanziert. Internationale Unterstützung erhalten wir bisher keine", sagt Widiatmoko. Die Tempel von Jambi sind die größte archäologische Anlage Sumatras, die, so die Hoffnung in Jambi, eines Tages von der Unesco in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wird.

Arbeiter stabilisieren die Fundamente am Candi Kedaton.

Das moderne Jambi ist eine normale indonesische Arbeiterstadt, die vom Hafen am Batanghari lebt, von den Ölvorkommen und Gummiplantagen und den Papiermühlen, die Holz aus den gigantisch großen Eukalyptus- und Akazienplantagen verarbeiten, für die Konzerne wie “Asia Pulp and Paper” den Regenwald der Provinz Jambi abgeholzt haben. Dank einiger Hotels mit annähernd internationalen Standards und einem Flughafen ist Jambi Stadt der perfekte Ausgangspunkt zu einigen der besten natürlichen und historischen Sehenswürdigkeiten Sumatras.

Nur eine zweieinhalbstündige Autofahrt entfernt entfernt liegt das Harapan Rainforest Reservat, wo man Nashornvögel, Wildschweine, Tapire und Gibbons in freier Natur erleben kann. Etwas weiter weg ist der Bukit Tigapuluh National Park, in dem noch wilde Elefanten, Sumatratiger und Orang Utans durch die Wälder streifen. Ein anderes aufregendes, aber nicht einfach zugängliches Ziel, sind die prähistorischen Megalithen in der Region des Kerinci, der mit 3.805 Metern Indonesiens höchster Vulkan ist.

Entspannte Bootstour zu den Sehenswürdigkeiten

Die Tempel sind von Jambi-Stadt nur 22 Kilometer entfernt. Die entspannteste Art dorthin zu gelangen, ist die anderthalbstündige Bootstour über den Batanghari. Schneller geht es natürlich mit dem Auto. Die Fahrt führt durch schläfrige Dörfer, vorbei an sattgrünen Reisfeldern und üppigen Obstplantagen, in den Mangos und Durians wachsen. Für ein paar indonesische Rupien bieten sich Einheimische als Tempelführer an. Ihre farbigen, in bescheidenem Englisch erzählten Geschichten mögen geschichtlich nicht immer so ganz korrekt sein, aber dafür sie haben ihren Ursprung in Mythen und Legenden der Dörfler.

Als in Sumatra ab dem 14. Jahrhundert der Islam Einzug hielt, verloren die Tempel für die Menschen in Jambi zwar ihre religiöse Bedeutung - aber als Zeugnisse ihrer Jahrhunderte alten Kultur und Tradition sind sie noch immer ihrer ganzer Stolz. Zumal die alten Religionen, neben dem Buddhismus sowie den Naturreligionen der Stämme im Urwald unter der islamischen Oberfläche noch lebendig sind.

Man kann getrost Candi Muara Jambi, wie die Tempel von den Menschen dort genannt werden, als das “Angkor Sumatras” bezeichnen - Angkor ist das berühmte Zentrum des Khmer-Königreichs in Kambodscha. Vom 4. bis zum 13. Jahrhundert war Jambi der Sitz des hinduistisch-buddhistischen Königreiche Melayu und Srivijaya. Nach den Berichten des chinesischen Mönchs Yijng war Melayu zunächst ein unabhängiges Königreich und ein internationales Zentrum für buddhistische Studien. Als er Endes des 7. Jahrhunderts zum zweiten Mal nach Ma-La-Yu, wie die Chinesen es nannten, gekommen war, sei es vom rivalisierenden Nachbarkönigreich Srivijaya erobert und besetzt gewesen, berichtet Yijng.

Macht dank der Goldminen

Jambi aber blieb Dank seiner reichen Goldminen eine Macht aus eigener Kraft. Jambis Gold könnte gar der Ursprung für Sumatras alten Sanskritnamens Suvarnadvipa sein, was nichts anderes als Goldinsel bedeutet. Auf ihrem Höhepunkt reichte die Macht Srivijayas und Jambis auf die Nachbarinsel Java, über die malaiische Halbinsel bis hin zu Kambodscha und den Philippinen. Als im 11. Jahrhundert Srivijaya zunehmend durch Kriege mit dem Königen des südindischen Chola und mehr noch mit den mächtigen javanesischen Königreichen geschwächt wurde, wurde Jambi Hauptstadt des Melayu-Königreiches.

Es ist noch viel zu tun, bis Candi Kedaton wieder in seiner alten Form ist. Nur den Holztempel, der auf der obersten Plattform stand, wird man nicht wiederherstellen können. Der Grund: Niemand weiß, wie er einst ausgesehen hat.

Die Grundlage für Jambis Aufstieg zur regionalen Macht in Südostasien war seine strategisch günstige Lage am Zusammentreffen der Javasee, des Südchinesischen Meers und der Seestraße von Malakka. Die Stadt war mit ihrem Hafen das Singapur ihrer Zeit.

Durch seine weitreichenden politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen wurde Jambi zu seiner multikulturellen und multireligiösen Stadt, in der sich Händler aus Indien, Seefahrer aus Arabien, Kaufleute aus China, Bugis aus Sulawesi und Jambis eingeborene Stämme wie die Orang Rimba trafen. Von Jambis Globalisierung zeugen die Artefakte wie Münzen aus China, ein riesiger Bronzekessel aus Vietnam, Scherben von Porzellan aus dem thailändischen Sawankhalok, die bei Ausgrabungen gefunden wurden und in dem kleinen Museum auf dem Gelände der restaurierten Candi Gumpung and Candi Tinggi ausgestellt sind.

Trotz dieser Funde aber ist das Wissen über die Geschichte der Tempel noch gering. "Wir kennen nicht einmal ihre Namen", sagt Agus Widiatmoko. Er deutet auf einen quadratischen, an den Seiten mit eingemeißelten Ornamenten verzierten Sandsteinblock, von denen einige am Candi Kedaton gefunden wurden, und sagt: "Wir haben keine Ahnung, welchem Zweck sie dienten. Vielleicht waren sie Podeste für Buddhastatuen. Sie sind mit Sicherheit importiert worden, denn hier gibt es keinen Sandstein." Baupläne der Tempel, sollte es je gezeichnete Pläne gegeben haben, sind keine erhalten. Die Wände der Tempel waren einfache Backsteinbauten ohne aufwendige Ornamentik und Verzierungen, wie man sie von den Angkortempeln kennt.

Nur noch Backsteinhaufen übrig

Von vielen Gebäuden und Stupas, die einst die Haupttempel umgabenn, sind heute nur noch Backsteinhaufen übrig. Aber unter den Trümmern der alten Kultur haben die Archäologen einige Steine mit kunstvollen Gravierungen gefunden. "Auf diesen Ziegelsteinen sind die ältesten graphischen Darstellungen der Architektur Sumatras zu sehen. Sie zeigen eine einheimische Architektur, die die Vielfalt der kulturellen Einflüsse auf Jambi wiederspiegelt", schreiben Widiatmoko und seine Kollegen Mai Lin Tjoa-Bonatz und J. David Neidel im Wissenschaftsjournal "Asian Perspectives".

Eines aber ist ganz sicher: auf der obersten Plattform der pyramidenartigen Steintempel stand der eigentliche Tempel, und der war aus Holz. Das schließen die Jambiforscher aus den Steinen mit quadratischen Vertiefungen, die auf den Plattformen gefunden wurden. "Darin steckten die Pfosten der Holzstruktur", sagt Widiatmoko.

Man braucht eine sehr ruhige Hand, um mit heißem Wachs die seit Jahrhunderten überlieferten Batikmuster zu zeichnen.

Auf den Spuren einer alten Zivilisation zu wandeln, macht hungrig. Widiatmoko kennt den perfekten Ort für das Mittagessen: das Haus der Batikkünstlerin Azmiah Edy Sunarto in Jambi. Ganz traditionell sitzen wir auf dem Boden im Wohnzimmer, das gleichzeitig Restaurant wie auch Ausstellungs- und Verkaufsraum für die farbenprächtigen Batik Tulis, handgemalte Batiken, ist.

Auf einem wunderschönen auf dem Boden ausgebreiteten roten Batiktuch serviert eine Tochter von Azmiah Edy Sunarto ein typisches Nasi Padang. Curries, Fisch, Fleischgerichte, verschiedene Gemüsegerichte, Früchte und Reis werden in kleinen Portionen auf das Batiktuch gestellt und jeder nimmt sich was und soviel er will von diesem köstlichen Buffet.

Anders als beim Batik von der Nachbarinsel Java gibt es im Batik à la Jambi keine Tiermotive. "Wir bevorzugen Blumen und Früchte wie Durian oder Ananas als Motive", sagt Azmiah Edy Sunarto. Sie ist davon überzeugt, dass viele der gut 80 für Jambi typischen Batikdesigns so alt sind wie die Tempel, weitergeben von Generation zu Generation seit den Tagen des Melayu-Königreichs.


Michael Lenz arbeitet als Journalist in Südostasien und schreibt regelmäßig für evangelisch.de.