Quandt-Preis für "Bild"-Serie schwer in der Kritik

Quandt-Preis für "Bild"-Serie schwer in der Kritik
Vor wenigen Wochen sorgte eine neue Studie für Schlagzeilen: Sie kritisierte die "Bild"-Berichterstattung. Die Autoren der Studie untersuchten die Serie "Geheimakte Griechenland" aus dem vergangenen Jahr und belegten, dass das Boulevardblatt "im Kern kein journalistisches Produkt" ist. Jetzt erhielten die "Bild"-Mitarbeiter Nikolaus Blome und Paul Ronzheimer für genau diese Berichterstattung den Herbert-Quandt-Preis. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. "Befremdlich", urteilen die Autoren der Studie, Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt.
18.07.2011
Von Rosa Legatis

Die Studienmacher kritisieren: Die Juroren hätten gewusst, dass die Serie untrennbar mit einer "Bild"-Kampagne zur Griechenland- und Euro-Krise aus dem Frühjahr 2010 verbunden gewesen sei. Ein zentrales und zahllos wiederholtes Motiv darin lautete: "Die Griechen haben mit falschen Zahlen und statistischen Betrügereien die Mitgliedschaft in der Eurozone erschlichen – auch deshalb haben sie die Hilfe der deutschen Steuerzahler nicht verdient", so der Tenor der Bildberichterstattung laut Storz und Arlt.

Die beiden Autoren kommen in ihrer Studie der Meinung, dass "die Arbeit alle Vorgaben für schlechten Journalismus bestens erfüllt". Und das auch dann, wenn die Serie unabhängig von den Hintergründen bewertet werde. Denn, so Storz und Arlt: "'Bild' präsentiert, abgesehen von Details, altbekannte Sachverhalte, fälschlicherweise als neue Enthüllungen inszeniert. Informationen und Werturteile fließen untrennbar ineinander."

Nachprüfbare Fakten, gesicherte Informationen und journalistische Einordnungen würden ignoriert, weil "Bild" sonst seine Texte ja auch nicht als Enthüllungen präsentieren könne. "Dass die Johanna-Quandt-Stiftung und die Preis-Jury eine 'Recherche', deren Ergebnis von vorneherein feststand, als 'exzellenten Wirtschaftsjournalismus' auszeichnet, ist für uns befremdlich, weil es auch dem Credo der Stifterin widerspricht." Dieses lautet: "Eine intensive Recherche, Sachverstand und die fundierte eigene Meinung – das ist es, was ich mir auch in der Zukunft vom Wirtschaftsjournalismus wünsche."

Johanna-Quandt-Stiftung reagiert auf Kritik

Mit ihrer Meinung stehen die beiden Autoren der "Bild"-Studie nicht allein da. Der Journalist Michalis Pantelouris schreibt in seinem Blog "Bild gewinnt. Gegen den Journalismus": "Für mich bedeutet die Auszeichnung der Werke dieser beiden auch eine weitere und vielleicht entscheidende Niederlage des Journalismus, wie ich ihn verstehe. Eine Branche, in der das, was diese beiden tun, preiswürdig ist, ist verloren." Auf Pantelouris Veröffentlichung reagiert der Vorstand der Johanna-Quandt-Stiftung, Dr. Jörg Appelhans, mit einer Email. "Wir haben nicht die Berichterstattung der 'Bild' zu den sogenannten 'Pleite-Griechen' ausgezeichnet, sondern eine sehr faktenstarke und an wirtschaftspolitischen Hintergrundinformationen reiche Reportageserie aus dem Herbst 2010 über das Zustandekommen des EU-Beitritts Griechenlands."

Dies betonte Appelhans auch gegenüber evangelisch.de und sagte weiter: "Es ist ja bekannt, dass ein Zeitungsartikel mal polarisierend ist - und auch eine Jury-Entscheidung." Ob dies dann allerdings auch schlechter Journalismus ist, stellt der Vorstand der Johanna-Quandt-Stiftung in Frage. Außerdem müsse beachtet werden, dass nicht nur guter Wirtschaftsjournalismus, sondern auch leicht verständlicher Wirtschaftsjournalismus ausgezeichnet werde. "Und das müsse man der Bild lassen, das hat die Serie geschafft."

Den Spiegel neidisch machen?

Der Bild-Autor Nikolaus Blome berichtet in seiner Erwiderung auf die Laudatio bei der Preisübergabe, dass die Serie auch in der Redaktion nicht unumstritten gewesen sei. Denn sie sei ein Experiment gewesen. "Es sollte auch zeigen, ob wir etwas hinkriegen, das der Spiegel vielleicht auch als Titelgeschichte drucken würde. Ob wir den Spiegel einmal auf seinem eigenen Terrain neidisch machen können? Ja, können wir."

Der Herbert-Quand-Preis wird seit 1986 verliehen und ist mit 50.000 Euro dotiert. Ausgezeichnet wurden seit dem Journalisten unter anderem von der Zeit, der Wirtschaftswoche, dem WDR und brand eins. Für die Macher der Internetseite nachdenkseiten.de ist der Preis dennoch fragwürdig: "Wer sich die Liste der vergangenen Preisträger anschaut, merkt schnell, dass es der Johanna-Quandt-Stiftung dabei nicht um kritischen Journalismus, sondern vor allem um beliebige PR-Artikel geht, in denen Unternehmer und Unternehmen in einem möglichst positiven Licht dargestellt werden."


Rosa Legatis lebt und arbeitet als freie Journalistin in Hannover.