Muslime verärgert: Papst wirbt für Religionsfreiheit

Muslime verärgert: Papst wirbt für Religionsfreiheit
Papst Benedikt XVI. löst erneut Verärgerung in der muslimischen Welt aus. Ägypten ruft seine Botschafterin beim Vatikan zurück, in Pakistan sind radikal-islamische Demonstrationen geplant. Grund ist die offene Forderung des katholischen Kirchenoberhaupts, mehr für Religionsfreiheit und gegen Gewalt zu tun. Unterdessen stößt auch EKD-Ratschef Nikolaus Schneider mit seinen Äußerungen zum Islam auf Kritik von Muslimen.

Brutale Anschläge auf Christen im Irak und in Ägypten, drangsalierte und unterdrückte Gläubige in etlichen anderen Ländern - das Los von Millionen Mitbrüdern gerade auch in muslimischen Ländern treibt den Papst um und lässt ihn in die Offensive gehen. Mit gleich zwei politischen Reden zum Jahresbeginn hat Benedikt XVI. Unruhe und Verstimmung ausgelöst. Kairo ist verärgert über seine "inakzeptable Einmischung in innere Angelegenheiten". Der Vatikan versucht rasch, die Wogen zu glätten. Hat der Papst in seiner großen Sorge überzogen?

Die bedrohte Religionsfreiheit beklagt das Oberhaupt von fast 1,2 Milliarden Katholiken seit seiner Weihnachtsansprache verstärkt. Nach den jüngsten Anschlägen und einer Nahost-Synode in Rom zur desolaten Lage der Christen in der Region appelliert er an Neujahr und dann vor allem vor Diplomaten deutlich an die betroffenen Regierungen: Sie müssten dafür sorgen, dass Christen in Frieden leben können. Und auch islamische Religionsführer sollten sich dafür einsetzen. Ihn peinigt die Zwangslage christlicher Minderheiten, er wählt das offene Wort.

Regensburger Rede brachte Dialog in Gang

Weltweite Empörung bei Muslimen hatte Joseph Ratzinger bereits im September 2006 mit seiner Regensburger Rede hochschwappen lassen: Er verwendete ein Zitat eines alten byzantinischen Kaisers, wonach der Prophet Mohammed nur "Schlechtes und Inhumanes" gebracht habe, und sorgte damit für viel Aufsehen. Es handelte sich um einen akademisch-theologischen Text, der sich nicht so aktuell auf Ereignisse wie jetzt in der Silvesternacht in Alexandria bezog, als bei einem Selbstmordanschlag vor einer koptisch-orthodoxen Kirche 23 Menschen starben. Immerhin brachte die Regensburger Rede auch einen christlich-islamischen Dialog in Gang. Und der "Professor Ratzinger" deutete später an, dass er es bereue, das Zitat in seine Rede aufgenommen zu haben.

Die alltäglichen Spannungen nahmen derweil nur zu: Die jüngste Bilanz des überkonfessionellen Hilfswerks für verfolgte Christen "Open Doors" spricht eine deutliche Sprache: Etwa 100 Millionen Christen werden weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt. Nordkorea führt die negative Rangliste jener Länder an, in denen Christen nach Einschätzung von "Open Doors" am stärksten geschurigelt werden. Und dies: "Der Islam ist in acht der ersten zehn Länder die Religion der Mehrheitsbevölkerung; in sieben davon hat sich die Lage der Christen verschlechtert." Ägypten ist nicht unter diesen zehn Ländern, wohl aber der Iran, Afghanistan sowie Saudi-Arabien, Somalia und der Irak.

Vatikan will Eskalation vermeiden

Als Kairo wegen der päpstlichen Ermahnungen seine Botschafterin beim Vatikan zu "Konsultationen" zurückruft, schrillen in Rom denn doch die Alarmglocken. "Der Vatikan will keine Eskalation", macht der vatikanische Außenminister Dominique Mamberti der Diplomatin noch schnell deutlich. Benedikts Worte seien ein Ausdruck seiner Sorge um alle von Gewalt und Verfolgung bedrohten Gläubigen, so Mamberti. Der Papst teile den Schmerz, der Ägypten wegen der Vorfälle heimsuche. Hatte also wieder der Ton die Musik gemacht? Politische Beobachter stufen die kritischen Worte an die Regierungen in Bagdad und Kairo zur Lage der Christen jedenfalls nicht als völlig fehl am Platz ein.

Wachsende Spannungen mit religiösem Hintergrund haben für Benedikt aber auch Pakistan zu einer Front im Kampf für Religionsfreiheit und gegen Gewalt gemacht. Und mit China liegt der Vatikan im Clinch, weil Peking wieder verstärkt eine eigene "Kirchenpolitik" gegen die Männer und Frauen macht, die zu Rom stehen und ihrem Papst treu folgen. In Pakistan hat das umstrittene Blasphemiegesetz Benedikt verbittert, weil es zu religiös begründeter Rache an Christen einladen könnte. Radikale Islamisten dort sehen die päpstliche Kritik als Teil einer "Verschwörung, um die Weltreligionen gegeneinander auszuspielen". Und sie planen nun landesweite Proteste gegen Benedikt. Birgt die "große Polit-Rede des Papstes", so Radio Vatikan, damit anhaltend Zündstoff?

"Das finden wir nicht gut"

Auch in Deutschland gibt es Dissens zwischen Christen und Muslimen. Der Zentralrat der Muslime (ZMD) ist verärgert über kritische Äußerungen des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, zum muslimischen Glauben. "Niemandem steht es zu, eine Religion zu kritisieren und zu bewerten, ob sie eine Aufklärung nötig hat oder nicht", sagte ZMD-Generalsekretärin Nurhan Soykan den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Mittwoch). Die evangelische Kirche habe "öfter den Hang dazu, belehrend aufzutreten", fügte Soykan hinzu. "Das finden wir nicht gut."

Schneider hatte am Montag in seiner Funktion als Präses der rheinischen Landeskirche vor deren Synode in Bad Neuenahr gesagt, der Islam trete in Deutschland "unbefangen und von Aufklärung und Religionskritik kaum irritiert" auf. Auf einer anschließenden Pressekonferenz forderte Schneider einen aufgeklärten, europäischen Islam. "Der Islam ist willkommen und Teil unserer Gesellschaft, er muss dort hineinwachsen und sich etablieren - unter den Bedingungen, die hier gelten", betonte der EKD-Ratsvorsitzende. Nötig seien dazu die Entwicklung eines akademischen geprägten Islam und die Ausbildung von Imamen in Deutschland.

Unterstützung erhält Schneider von dem Islamwissenschaftler Jochen Hippler, der an der Universität Duisburg-Essen lehrt. In Sachen Aufklärung gebe "in islamischen Staaten einiges nachzuholen", sagte er der WAZ-Gruppe. Ein akademisch geprägter Islam würde nach seinen Worten eine Normalisierung und Gleichheit im Verhältnis zum Christentum und zum Judentum bedeuten. An den Hochschulen müsse dabei die Betonung auf der Wissenschaft liegen, nicht auf der Religion. 

dpa/epd