Erst online, dann echt: Eine Liebe im Alltag

Maike Büchner
Glückliches Paar: Sabine und Klaus genießen das Wochenende im Garten.
Erst online, dann echt: Eine Liebe im Alltag
Sabine und Klaus haben sich über eine Partnerbörse im Internet kennen gelernt. Und haben den Sprung ins kalte Wasser gewagt, in Fernbeziehung und Patchwork-Familie. Was in der virtuellen Zweisamkeit des World Wide Web begann, muss sich nun in der Realität beweisen. Für den Schwerpunkt "Frühlingsgefühle" bei evangelisch.de erzählen sie von ihrem Alltag.

An seine erste Nachricht in ihrem E-Mail-Postfach erinnert sie sich noch genau: "Etwas weit von Stuttgart in den Taunus, oder?" Sabine, 43, schlank mit blondem Kurzhaarschnitt, sitzt unter der Markise auf dem Balkon eines kleinen Zweifamilienhauses im Taunus und blickt zu Klaus (Namen geändet). Er, 45, mittelgroß, Schnauzbart und Lachfältchen um die braunen Augen, war ihr im Onlineportal gar nicht aufgefallen. Doch seine Frage ließ sie neugierig werden und nach etlichen E-Mails und einem längeren Telefonat stand er dann vor ihrer Wohnungstür in Stuttgart mit einem Blumenstrauß in den Händen. "Als Sabine die Tür öffnete, war ich erleichtert", schmunzelt Klaus heute. "Sie sah tatsächlich so aus wie auf dem Foto!"

Ein Jahr ist das her. Seitdem leben sie Fernbeziehung und Patchwork-Familie, Beziehungsmodelle, die in Deutschland immer häufiger anzutreffen sind: Inzwischen ist jede siebte Familie eine Patchwork-Familie, schätzt das Deutsche Jugendinstitut in München. Und jede achte Beziehung ist eine Fernbeziehung.

Sabine und Klaus sehen sich fast jedes Wochenende, pendeln 250 Kilometer von Stuttgart in den Taunus und umgekehrt. Seit einem Jahr versuchen sie, ihre Liebe in ihren Alltag zu integrieren, telefonieren täglich bis zu zwei Stunden miteinander, abends nach Feierabend. Und nach Putzen, Wäsche waschen und Einkaufen, denn seitdem ihre Wochenenden kostbar geworden sind, erledigen sie die Hausarbeit so gut es geht unter der Woche. Anstrengend sei das schon: "Eigentlich ist man am Abend ja platt", meinen beide.

"Seitdem Daddy mit Sabine zusammen ist, ist er nicht mehr so streng"

Die weite Entfernung war von Klaus nicht geplant: "Anfangs hab ich mich auf den Großraum Frankfurt beschränkt", erzählt er. Doch weil die Richtige nicht dabei war, dehnte er seine Suche auch auf andere Regionen aus und entdeckte Sabines Foto, das ihm auf Anhieb gefiel. Als er sie anschrieb, war Sabine bereits seit einem Jahr Single. "Ich war bereit für eine neue Beziehung und habe deshalb mein Profil bei der Partnerbörse wieder aktiviert", erinnert sie sich.

Sie störte sich nicht daran, dass er Witwer und Vater dreier Kinder ist. "Ich bin da einfach reingesprungen", gibt sie offen zu. Die Personalreferentin hat selbst keine Kinder. Auch Klaus hatte sich keine großen Gedanken gemacht, was seine Kinder Julia, 16, Verena, 13, und Simon, 9, zu einer neuen Partnerin sagen würden. "Mir ging es in erster Linie um mich. Ich habe jemanden gesucht, der an meiner Seite ist". Einsam sei er gewesen nach dem Tod seiner Frau vor fast drei Jahren, erzählt er.

"Mein erster Eindruck von Sabine war positiv", sagt die 16-jährige Julia. Ihre Schwester Verena ergänzt: "Seitdem Daddy mit Sabine zusammen ist, ist er nicht mehr so streng", erklärt die 13-Jährige. "Meine Schwester darf seitdem fast jedes Wochenende zu ihrem Freund. Vorher war das nicht so." Stimmt", gibt ihr Vater zu, vorher sei es ihm sehr wichtig gewesen, dass sie die Wochenenden gemeinsam verbringen. Doch jetzt, wo er sich das Recht herausnähme, auch mal ein Wochenende in Stuttgart bei Sabine zu verbringen und er dann die Kinder der Obhut der Großeltern übergibt, gestehe er auch seinen Kindern mehr Freiräume zu. "Es ist schwer, etwas zu finden, dass allen Spaß macht", meint er.

Ganz unbeschwert ist ihre Zeit zu zweit nie

Wenn Klaus das Wochenende bei Sabine verbringt, genießen sie die Zeit zu zweit: Tagsüber laufen sie durch die Weinberge, abends gehen sie etwas trinken oder schauen einen Film im Kino an. Den Anfang ihrer Liebe haben sie wie einen Schatz konserviert: Die E-Mails, die sie sich vor ihrem ersten Treffen geschrieben hatten, haben sie ausgedruckt und zu einem Buch geheftet. Sabine erinnert sich, als sie Klaus' Profil auf der Partnerbörse das erste Mal gesehen hat. Sie lacht: "Da stand nur sein Alter, Größe und Familienstand. Ansonsten hatte er keine der 25 Fragen beantwortet, die jedem Benutzer vom Betreiber der Seite gestellt werden." Klaus waren die Fragen zu privat gewesen. Aber als Sabine ihn in einer ihrer ersten E-Mails darauf angesprochen hatte, hat er sich hingesetzt und sorgfältig jede einzelne der 25 Fragen beantwortet. Die Antworten hat er nur ihr geschickt.

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Doch ganz unbeschwert ist ihr Zeit zu zweit nie. Das schlechte Gewissen seinen Kindern gegenüber plage ihn schon, meint Sabine. Oft fährt er deshalb schon am Sonntagvormittag wieder zurück. Und so ist es meistens Sabine, die sich am Freitagabend ins Auto setzt und in den kleinen Ort im Taunus fährt. Wenn sie dann ankommt, erwarten sie ein blitzblank geputztes Haus und ein Mann voller Vorfreude auf das gemeinsame Wochenende. Doch für Sabine ist es manchmal gar nicht so einfach, in das Leben der vierköpfigen Familie zu treten. "Das ist eine gewachsene Gemeinschaft", sagt sie. "Für mich ist es schwer, da rein zu kommen".

Das zeige sich an Kleinigkeiten, etwa beim gemeinsamen Einkauf im Supermarkt: Für Klaus und seine Kinder sei es selbstverständlich, bestimmte Lebensmittelmarken zu kaufen, die sie selbst nie wählen würde. Sabine fällt das nicht leicht: "Da manifestiert sich an der Milch, dass man nicht dazu gehört!" Dennoch, sie erkennt auch Fortschritte, zum Beispiel wenn Simon, das Nesthäkchen der Familie, aufgeregt zu ihr kommt und ihr zeigen möchte, welche Ebay-Angebote er gerade verfolgt und sie dann zu zweit auf Schnäppchenjagd gehen.

Welche Rolle Sabine im Familienverband einnimmt – keine einfache Frage. Mutterersatz, nein, darum sei es ihm nie gegangen, meint Klaus. Aber "nur" Freundin sei Sabine auch nicht. Ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern zu bekommen und mitreden zu können, das wünscht sich Sabine. Gar nicht so einfach, wenn man nur am Wochenende da ist. "Von den Alltagsproblemen bekomme ich vieles einfach nicht mit", erklärt sie.

Die beiden schmieden Pläne: Sie wollen zusammenziehen

Für die Zukunft schmieden die beiden Pläne: Sie wollen zusammenziehen. "Durch die Fernbeziehung gibt es viele Konflikte", erklärt Klaus. "Wenn man sich zum Beispiel am Sonntagabend kurz vor der Abreise streitet, kann man das nicht mehr von Angesicht zu Angesicht klären." Klar, die Fernbeziehung habe auch den Vorteil, dass man aufs gemeinsame Wochenende hinfiebere. "Wenn man jeden Tag zusammenwohnt, zieht der Alltag ein", meint Klaus.

Wo genau es sie hinziehen wird, wissen sie noch nicht, eventuell in den Raum Stuttgart. Sabine hat sich dort ein Leben aufgebaut, seitdem sie vor vier Jahren zugezogen ist: Ihr Job gefällt ihr und Freunde gefunden hat sie auch. Den Kindern haben sie schon von ihren Plänen erzählt, begeistert waren sie nicht. Obwohl für die beiden Mädchen das Landleben öde geworden ist. "Aber wegziehen, nein, das möchte ich nicht. Meine Freunde leben doch hier." Tochter Verena schüttelt den Kopf und lächelt schüchtern. Sabine wirkt nachdenklich. "Mal sehen, wie sich das bei uns alles entwickelt", sagt sie schließlich. "Positiv, nur positiv", sagt Klaus und blickt ihr in die Augen.