David Villa war immer der erste. Einsvierzig klein, strohblond und in voller Barcelona-Montur saß er schon um 16 Uhr in der glühenden Nachmittagshitze auf dem Rasen vor dem Tor, bis endlich um halb fünf die anderen Kinder aus dem Ferienclub zum Fußball kamen. Mesut Özil, Messi, Lukas Podolski. Mit Klarnamen vermutlich Dennis, Luca und Marcel.
Ja, wir waren in den Ferien in der Türkei, wo es für zehn Euro das Stück alle gefälschten Trikots der Welt gibt. Für die Kinder war es super, dieses Rollenspiel – eine Woche lang war mein kleiner Sohn Oskar abwechselnd Stürmer, Torwart oder Linksaußen, je nachdem welches Trikot uns morgens im Basar wieder angedreht worden war. Und als ich ihn am Samstag um sieben wecken musste, weil der Flieger nach Köln ging, sagte er verschlafen: "Schweini ist auch schon wach. Die fliegen um acht nach München."
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Nettes Kinderspiel. Seit Montag ist bei uns wieder Alltag, und Oskar geht als Oskar Ott in sein langweiliges Gymnasium. Umso komischer fand ich es heute morgen, in meiner Lokalzeitung das Thema "Ein Jahr Schwarz-Gelb" vorzufinden – ebenfalls als Fußball-Aufstellung. Roland Pofalla als Abwehrspieler. Karl-Theodor zu Guttenberg als rechter Flügelstürmer. Thomas de Maizière als Libero.
Ehrlich gesagt – sie tun mir manchmal leid, die Politiker. Wie ungerecht, eine Regierungsmannschaft mit einem Fußballteam zu vergleichen. Erstens – eine Regierung ist eben kein Kinderferienclub, bei dem man sich mal eben ein neues Trikot überzieht. Die Rollen werden permanent verhandelt, und das ist ganz gut so in einer Demokratie.
Angeschlagener Torwart
Zweitens – schon beim Fußball ist es für all diejenigen ein bisschen schwer, die nicht dem knallharten Leistungsdruck stand halten. Man denke nur an Robert Enke. So richtig geschmacklos ist es also folgerichtig, die Fußballmetaphern auf die Politik anzuwenden. "Hielt als Torwart lange die Kasse sauber", schreibt die lustige Lokalzeitung über Wolfgang Schäuble, "ist allerdings körperlich sehr angeschlagen." Ha ha.
Und drittens – seit eine Frau an der Spitze der Regierung steht, ist das eh ein bisschen blöd mit den Altherrenwitzen. Also, liebe Journalistenkollegen – denkt euch einfach mal ein paar andere Bilder aus. Es gibt Volleyball-Mannschaften, es gibt Symphonieorchester, es gibt Großraumbüros. Überall arbeiten Leute zusammen, nicht nur im Fußball.
Bei den Trikots, die wir im türkischen Bazar gekauft haben, ging übrigens schon bei der ersten 30-Grad-Wäsche die Beflockung ab. Wie bei der Bundesregierung? Nö, gar nicht. Lass die mal machen in Berlin. Die Schrift bei den Trikots ging einfach ab, weil man für zehn Euro keine Qualität erwarten kann. Und weil uns halt jetzt der Alltag wieder hat.
Über die Autorin:
Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern. Ihre Homepage ist hier zu finden.