UN-GE-RECHT! Die Gesundheit zweier Klassen

UN-GE-RECHT! Die Gesundheit zweier Klassen
Leben wir wirklich in einer Zwei-Klassen-Medizin? Ja, schon, aber es gibt auch Lichblicke. Das System mag ungerecht sein, aber immer nur auf die gesetzlichen Krankenkassen schimpfen ist auch nicht gerecht. Denn manchmal überraschen sie einen positiv.
05.10.2010
Von Ursula Ott

Letzten Donnerstag war es mal wieder so weit. Ich stand bei meinem Hausarzt vor verschlossener Tür. "Quartalsende", stand auf einem handschriftlich gekritzelten Zettel, "für Kassenpatienten bleibt unsere Praxis heute geschlossen, wir machen Abrechnung." Und während ich noch überlegte, ob ich mir selber in den Hintern treten sollte – warum hatte ich nicht in den Kalender geguckt? Oder dem Arzt – warum kann der nicht seine Abrechnung nebenher machen? – während dessen lief ein Mann in einem großen Bogen um mich rum und drückte die Klinke zum Arzt. Er kam dran, er ist privat versichert.

Ungerecht? Ja schon. Ein paar Mal im Jahr bin ich stinksauer, wenn ich als Kassenpatientin das Gefühl habe, zweite Klasse zu sein, obwohl ich viele hundert Euro bezahle, neuerdings auch elf Euro Zusatzbeitrag im Monat. Wenn ich lange auf einen Termin warten muss, wenn ich ganz offenbar in einem anderen Wartezimmer warten muss als die Privatpatienten. Mit abgegriffenem Lesezirkel statt schicken Magazinen. Aber ganz ehrlich: Ungerecht ist es auch, in Klassenkampf-Manier so zu tun, als habe sich gar nichts getan die letzten Jahre. Wahr ist nämlich auch: Die gesetzlichen Krankenkassen kämpfen im Moment darum, dass es uns Kassenpatienten besser geht. Naja, erst mal kämpfen sie drum, dass es ihnen selber besser geht, aber das ist schon in unserem Interesse. So hat die AOK in den letzten Jahren ganz erhebliche Rabattverträge ausgehandelt – die will die Pharmalobby gern wieder kippen. Und es gibt günstige Zusatzversicherungen für Chefarzt und Zweibettzimmer – auch das steht jetzt wieder auf der Kippe.

Nicht im Jammerton verharren: Es geht auch anders

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Es lohnt sich also, die Kassen und vor allem die Gesundheitspolitiker darin zu bestärken, die gesetzlichen Krankenkassen wettbewerbsfähiger zu machen. Und nicht im Jammerton zu verharren nach dem Motto "Wir Patienten sind eh die Deppen." So einfach ist es nicht. Das habe ich letztes Wochenende gemerkt, als ich am späten Sonntagabend eine Apotheke gesucht habe. In Hamburg, wo ich mich überhaupt nicht auskenne. Ich habe einen Taxifahrer gebeten, mit mir eine Notdienst-Apotheke zu suchen, aber der hielt mir erst mal einen Klassenkämpfer-Vortrag. Die machen alle am Samstag um 14 Uhr zu, die haben sich doch abgesprochen, nur damit sie anschließend richtig absahnen können. Bahnhof? Nö, das glaubt er auch nicht, gerade am Bahnhof sind die sich bestimmt zu schade abends zu arbeiten.

Als Patient kannst du in diesem Land sehen wo du bleibst, sagte er. Ich setzte mühsam durch, dass er irgendwo hielt und ich auf den Notdienstplan schauen konnte. Siehe da, gleich um die Ecke war eine Apotheke, die immer Samstag und Sonntag offen hat. Mein Medikament wurde verpackt, eine Packung Tempos dazu, null Euro Zuschlag, na also, es tut sich schon was in Gesundheits-Deutschland. Nur moppern ist einfach. Aber auch ungerecht.


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern. Ihre Homepage ist hier zu finden.