Unter der Regie von Arthur Penn wurde sie zu einem Meilenstein des Kinos der Sechziger.
Penn, der am Dienstagabend, einen Tag nach seinem 88. Geburtstag, in Manhattan an Herzversagen gestorben ist, vereinte in "Bonnie und Clyde" Genreelemente mit Folklore und dem Geist der antiautoritären Ära. Als der Film 1967 ins Kino kam, löste er eine Nostalgie- welle in der Modeindustrie aus, vor allem aber legte er die Idee nahe, dass man auch als totaler Außenseiter hip und sexy sein kann. Die Sequenz, in der Warren Beatty als Clyde und Faye Dunaway als Bonnie in einem Kugelhagel sterben, ist wohl die bekannteste in Penns Werk.
Für die einen markierte sie seinerzeit den Sündenfall des modernen Kinos, die Einübung in eine bis dato unbekannte Form der Gewaltdarstellung im Film. Für die anderen war sie die logische Konsequenz einer Erzählung, die durch das Dekor des Historienfilms einen kritischen Blick auf die amerikanische Gesellschaft am Beginn einer ihrer gewalttätigsten Epochen warf - im folgenden Jahr verschärfte das Massaker von My Lai auch den inneren Vietnam-Konflikt, Martin Luther King und Robert Kennedy wurden ermordet.
Der Regisseur selbst war damals schon lange im Geschäft.
1922 in Philadelphia als Sohn eines russisch-jüdischen Uhrmachers geboren, zeigte Arthur Penn schon auf der Highschool eine Leidenschaft fürs Theater. Seine schauspielerische Ausbildung sollte die Filmarbeiten beeinflussen: Penn war immer auch ein Darstellerregisseur, der seine Stars - Beatty und Dunaway in "Bonnie und Clyde", Gene Hackman in "Die heiße Spur", Dustin Hoffman in "Little Big Man" - zu dramatischen Höchstleistungen animierte. Anfang der Fünfziger begann Penn, als Autor und Regisseur fürs Fernsehen zu arbeiten, das sich gerade zu einer Art "think tank" für die visuelle Kultur des kommenden Jahrzehnts entwickelte. Wie John Frankenheimer, Sidney Lumet und George Roy Hill gehörte Penn zur ersten Generation amerikanischer Filmemacher, die nicht ins Studiosystem Hollywoods hinein geboren wurden, sondern ihren Stil am hektischen Betrieb des anfangs noch ausschließlich in New York produzierten Live-TV schulten.
Klassischer Genrefilm
Seine ersten Kinoarbeiten brachen denn auch auf signifikante Weise mit den Formeln des klassischen Genrefilms. Der "neurotische" Western "Einer muss dran glauben" (The Left-Handed Gun, 1958) präsentierte seinen von Paul Newman mit dem typischen Überdruck des method actors" gespielten Helden Billy the Kid - auch eine dieser Outlaw-Legenden - als kindischen, unberechenbaren, gequälten Geist. "Mickey One" (1965) mit Warren Beatty war eine düstere, beinahe experimentelle Studie in Paranoia, die Penns Verbindungen zum europäischen Autorenkino durchblicken ließ - und von der heimischen Kritik vernichtet wurde.
Die politischen Fronten, zwischen denen sich der - oft als zu "intellektuell" geschmähte - Ostküsten-Set amerikanischer Regisseure bewegte, lässt sich an Penn-Filmen wie "Ein Mann wird gejagt" (1966) und "Alices Restaurant" (1969) ablesen. Der erste ist ein hitziges üdstaaten-Drama, in dem ein aufrechter Sheriff und ein notorischer Außenseiter dem Provinzmob zum Opfer fallen, der zweite eine sympathische Betrachtung der Hippieszene mit Arlo Guthrie in der Hauptrolle.
Nationaler Gründermythos
Mit "Little Big Man", einem barocken, optisch überbordenden Spätwestern, der Dustin Hoffman als pikaresken Helden in verschiedenen Professionen und auf wechselnden Seiten durch die Indianerkriege steuerte, gelang es Penn in den Siebzigern noch einmal, aus überlieferten Motiven den politischen Funken zu schlagen. Seine Darstellung des Genozids an den "native americans" ließ sich nicht nur als Revision des nationalen Gründermythos lesen, sondern auch als Kommentar zum Scheitern der Rassenintegration.
Penns folgende Arbeiten, darunter der stilisierte Western "Duell am Missouri", der bemerkenswerte Thriller "Die heiße Spur" (1975) und der eher stromlinienförmige Krimi "Target", hatten nicht mehr die stilbildende Wirkung seiner großen Erfolge. In den Neunzigern zog sich Penn, der den Oscar knapp verpasste – er war dreimal nominiert -, dafür ber den "Ehrenbären" der Berlinale bekam, aus dem Kino zurück und arbeitete fürs Fernsehen, etwa als Produzent der Serie "Law & Order". Aber immer wenn in den Filmen der letzten Jahrzehnte, wenn bei Quentin Tarantino, Oliver Stone oder David Lynch eines dieser mörderisch naiven, mörderisch modischen Liebespaare eine Blutspur durchs "Land der Tapferen und Freien" zog, grüßten von ferne Clyde Barrow und Bonnie Parker.
epd