Das Tanzverbot steht immer wieder mal im Zentrum der Kritik. Diesmal sind es die Jungen Liberalen in Baden-Württemberg, die die "Party-Beschränkung" in ihrem Bundesland gerne lockern würden. "Die momentane Regelung ist veraltet und damit nicht mehr zeitgemäß", erklärte der baden-württembergische Juli-Vorsitzende Jens Brandenburg. Die meisten Diskotheken befänden sich nicht mehr in Stadtzentren und damit weitab von einer Kirche, begründet er, warum Jugendliche es auch an Feiertagen die Chance haben sollten, es ordentlich krachen zu lassen. Die Jugendorganisation der FDP sorgt sich auch um die heimische Wirtschaft und erklärt: "Das Tanzverbot bereitet vor allem Diskotheken viele unnötige Probleme."
Das so genannte "Tanzverbot" gilt in allen Bundesländern, jedoch mit großen Unterschieden. Baden-Württemberg hat 18 Tage mit Tanzverbot belegt, in Berlin oder Hamburg gibt es nur drei Tanzverbots-Tage. Tanzveranstaltungen sind an diesem Tage nicht gestattet, aber auch viele andere Veranstaltungen, die unter die Kategorie "Vergnügen" fallen, sind je nach Landesgesetz nicht erlaubt, darunter Sportveranstaltungen oder Konzerte. Zudem dürfen in mehreren Bundesländern in Kinos nur Filme gezeigt werden, die eine so genannte Feiertagsfreigabe haben. Auch an Theatern und Opernbühnen soll es stiller zugehen. Alles, was zu sehr nach Unterhaltung und zu wenig nach Kunst riecht, ist nicht erlaubt. Komödien und Operetten verbieten sich daher eigentlich.
Regelung im Grundgesetz
Abgeleitet wird das "Tanzverbot" aus Artikel 140 des Grundgesetzes. Darin heißt es mit Verweis auf Artikel 139 der Weimarer Verfassung von 1919: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Geregelt ist das "Tanzverbot" in den verschiedenen Landesgesetzen, in denen die Bestimmungen zu den "stillen Tagen" festgelegt sind. Dazu zählen je nach Bundesland unter anderem Karfreitag, der Aschermittwoch, Gründonnerstag, Ostersonntag, Allerheiligen oder der Heilige Abend. Die Regelungen, die Karfreitag betreffen, sind dabei aber besonders streng. In Bayern etwa sind Gaststätten an Karfreitag - und nur dann! - "musikalische Darbietungen jeder Art" verboten. In mehreren Landesgesetzen findet sich auch sinngemäß die Formulierung, verboten seien "andere der Unterhaltung dienende öffentliche Veranstaltungen, wenn nicht ein überwiegendes Interesse der Kunst, Wissenschaft, Volksbildung oder Politik vorliegt."
Ganz so still ist es an den Tanzverbotstagen in der Regel dann aber doch nicht. Gerade große Clubs öffnen auch an diesen Tagen oft ihre Pforten. Offenbar spekulieren sie darauf, dass die Kontrollen in den jeweiligen Bundesländern in Sachen Tanzverbot doch nicht so streng sind, oder sie kalkulieren die zu zahlenden Strafen mit ein. Je nach Bundesland werden oft nur rund 1.00 Euro fällig, wenn ein Wirt das Tanzverbot missachtet. Zudem gibt es in den Gesetzen Ausnahmeregeln, die mitunter weit ausgelegt werden. Erlaubt sind nämlich in der Regel Veranstaltungen, bei denen ein "überwiegendes Interesse der Kunst" vorliegt. Und das scheint zumindest aus Sicht verschiedener Veranstalter ein dehnbarer Begriff zu sein.
Kein Problem für Kinos
Wer Unterhaltung und Zerstreuung sucht, wird also an Tanzverbotstagen durchaus fündig. Auch für die Kinos sind die nötigen Feiertagszulassungen der Filme kein Problem. Die Bedeutung der Feiertagszulassung sei gering, sagt etwa Georg Welles vom Multiplexbetreiber UCI. "Ich selbst kann mich an keinen Fall in den letzten Jahren erinnern." Und tatsächlich wurde seit 2005 bei rund 2.000 durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) geprüften Filmen nur 18 Streifen die Feiertagszulassung verweigert. Betroffen waren vor allem Horrorfilme wie "Hanibal" oder "My Bloody Valentine".
Ganz so vergnügungsfeindlich dürfte die Situation also auch in Baden-Württemberg nicht sein. Der FDP-Koalitionspartner CDU sieht aber auch unabhängig davon keinen Grund, in Sachen Tanzverbot die Regeln zu lockern. In der Landesverfassung sei festgeschrieben, dass christliche Traditionen geschützt werden müssten, sagte deren Fraktionsvorsitzender Peter Hauk. "Bei der CDU gehört im Gegensatz zur FDP zur Liberalität auch die Wahrung von Werten." Und ein Sprecher des Freiburger Erzbistums teilte mit, es gehe auch "um den Schutz der Gesellschaft vor pausenloser Besinnungslosigkeit". Die Evangelische Kirche in Baden sieht in der vorgeschriebenen Ruhe an Sonn- und Feiertagen weniger ein Verbot sondern ein Recht der Menschen auf Ruhe und Erholung.
Gegen eine Neuregelung spricht zudem, dass erst 2008 eine neuer Staatskirchenvertrag geschlossen wurde, in dem auch die Feiertage und die damit verbundene Feiertagsruhe geregelt wurden. Der Vertrag, den auch die beiden evangelischen Landeskirchen Württemberg und Baden unterzeichnet haben, wurde von der Landesregierung abgesegnet. Die wiederum wird von der CDU und der FDP gebildet. Kein Wunder also, dass die FDP die Initiative ihrer Jugendorganisation weitgehend unkommentiert ließ.
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und betreut die Ressorts Medien und Kultur