Komorowski geht mit seinem Sieg vorsichtig um

Komorowski geht mit seinem Sieg vorsichtig um
Nach Auszählung von 95 Prozent der Wahlkreise steht der liberal-konservative Parlamentschef Bronislaw Komorowski als nächster Präsident Polens fest. Er erreichte bei der Stichwahl am Sonntag 52,63 Prozent der Stimmen, sein national-konservativer Herausforderer Jaroslaw Kaczynski kam auf 47,37 Prozent, teilte die staatliche Wahlkommission (PKW) in der Nacht zum Montag mit.
05.07.2010
Von Jacek Lepiarz

Die Wahlbeteiligung der Präsidentenwahl in Polen lag bei 55,3 Prozent. Dem Zwischenergebnis nach Auszählung der Hälfte der Wahlkreise zufolge hatte Kaczynski vorn gelegen. Das offizielle Endergebnis soll am Nachmittag bekanntgegeben werden. Ein Kommissionssprecher erläuterte die zwischenzeitliche Führung Kaczynskis damit, dass die ersten Zahlen aus kleineren ländlichen Wahlkreisen kämen. Dort sei die Zustimmung für Kaczynski am stärksten. Die Stimmen aus Warschau und aus anderen Großstädten sollen zuletzt ermittelt werden.

Am Wahlabend übte Bronislaw Komorowski größte Zurückhaltung, um nicht arrogant oder hochmütig zu wirken. Er wolle die große Sektflasche erst morgen öffnen, heute sei nur ein Piccolo angebracht, sagte der liberal-konservative Politiker nach der Bekanntgabe erster Prognosen am Sonntagabend. Das sei fast ein Unentschieden gewesen, relativierte der 58-Jährige seinen Erfolg. Ganz anders sein national-konservativer Herausforderer, Jaroslaw Kaczynski: "Ich gratuliere dem Sieger, Bronislaw Komorowski", sagte der und gestand damit seine Niederlage ein.

Komorowski siegt mit den Stimmen der Linken

Die Vorsicht des bisherigen Parlamentschefs ist durchaus verständlich. Als Kandidat der Regierungspartei Bürgerplattform PO war Komorowski im Frühling als klarer Favorit ins Rennen um die Präsidentschaft gegangen. Noch vor zwei Monaten konnte er mit dem Sieg in der ersten Runde rechnen. Doch dann brachte ihn Kaczynski ins Schwitzen - auf der Zielgeraden musste Komorowski bis zur letzten Minute um den Sieg bangen. Getragen von der starken Sympathiewelle für seinen Zwillingsbruder Lech Kaczynski, der am 10. April bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen war, konnte Jaroslaw seinen Gegenspieler fast einholen.

Ausschlaggebend dürften bei der Stichwahl die Stimmen der linken Wähler gewesen sein. Umfragen zufolge gaben rund 70 Prozent der Wähler, die beim ersten Wahlgang den linken Kandidaten Grzegorz Napieralski unterstützt hatten, ihre Stimme Komorowski. Das Werben von Kaczynski um diese Wählergruppe blieb offenkundig erfolglos. Dabei hatte er den Postkommunisten im Wahlkampf versprochen, sie nur noch "Linke" zu nennen - geholfen hat es nicht.

Bürgerliche stellen nun Regierungschef und Präsident

Der frühere linke Präsident Aleksander Kwasniewski (1995-2005) warnte den Sieger. Die Bürgerplattform habe jetzt die ganze Macht im Staat, betonte er. Geboten sei größte Vorsicht im Umgang mit dieser Macht. In der Tat bleiben nach Komorowskis Sieg alle Schlüsselämter in Polen mindestens bis zur Parlamentswahl im Herbst 2011 unter Kontrolle des politischen Lagers von Donald Tusk.

Dass Tusk früher oder später das Regierungsamt abgeben muss, dafür will Kaczynski mit seiner Truppe sorgen. "Wir müssen siegen", sagte er am Wahlabend mit Blick auf die Kommunalwahlen Ende dieses Jahres und die Parlamentswahlen 2011. "Siegen und sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, ist ein Debakel. Besiegt werden, aber nicht nachgeben, bedeutet Sieg", zitierte Jaroslaw Kaczynski den Gründer des Nationalstaates nach dem Ersten Weltkrieg 1918, Jozef Pilsudski. Jaroslaw Kaczynskis Zwillingsbruder liegt neben Pilsudski, seinem Vorbild, in der Gruft der Wawel-Kathedrale in Krakau begraben.

Kaczynski deutete bereits an, womit der in nächster Zeit die Regierung unter Druck setzen will. Im Zusammenhang mit der Absturzkatastrophe gebe es viele Fragen, auf die Antworten gefunden werden müssten. Die Opposition fordert eine Übernahme der Ermittlungen durch Polen, weil sie den russischen Ermittlern nicht traut.

Die Wahl bestätigt die tiefe Spaltung Polens

Die Stichwahl am Sonntag hat erneut eine tiefe Spaltung des Landes bestätigt. Der Westen und der Norden wählten, wie in den zwei Jahrzehnten nach dem demokratischen Umbruch, auch diesmal den proeuropäischen und liberalen Komorowski. Der Osten und der Süden setzten auf den national-katholischen Bewerber. Diese Spaltung zu überwinden, sehe er als seine Aufgabe, sagte Komorowski am Wahlabend.

Das polnische Staatsoberhaupt hat mehr Kompetenzen als der deutsche Bundespräsident, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Der polnische Präsident kann zudem eigene Gesetzentwürfe vorlegen und vom Parlament beschlossene Gesetze mit seinem Veto blockieren. In der Amtszeit von Lech Kaczynski war es immer wieder zu Kompetenzenstreitigkeiten mit der Regierung gekommen, worunter vor allem die Reformvorhaben litten. Die Regierung erhofft sich nun mehr Spielraum bei der Modernisierung des Landes.

dpa