Mit der Bibel gegen Homo-Feindlichkeit?

Mit der Bibel gegen Homo-Feindlichkeit?
Foto: Wolfgang Schürger
Sollen Queers die Bibel aus der Hand geben, nur weil manche mit ihr immer wieder gegen uns argumentieren? "Auf keinen Fall!", ist Nils Christiansen überzeugt. Eindrücke eines Workshops im Zentrum Regenbogen des Kirchentages.

Dass Menschen mit der Bibel gegen Queers argumentieren, sind wir ja leider immer noch gewohnt. Aber „mit der Bibel gegen Homofeindlichkeit“? Nils Christiansen, Pastor der Nordkirche, ermutigt Regenbogen-Christ*innen, sich die Bibel nicht aus der Hand nehmen zu lassen.

Die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens sei der „Auftrag, mein Leben nicht zu verdaddeln“.
Zusammen mit Eva Burgdorf machte Christiansen bei einem Workshop im Zentrum Regenbogen des Deutschen Evagenlischen Kirchentages in Berlin (24.-28. Mai 2017) deutlich, dass die Bibel ein Buch ist, das über Jahrhunderte hinweg entstanden ist - geprägt von dem Bemühen der Gläubigen, zu erkennen, was dem Leben in ihrer Zeit dient.
Spätestens seit der Sintflut, so Christiansen, sei deutlich, dass Gott ein Gott des Lebens „im umfassenden Sinn“ sei. „Die Noah-Geschichte zeigt, dass die Idee des strafenden Gottes nicht funktioniert“, so Christiansen. „Es ist doch unglaublich, wie Gott den Segen begründet: ‘Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.’ (Gen/1.Mose 8,21) Der Regenbogen ist sozusagen der Knoten in Gottes Taschentuch, der Gott daran erinnert: ‘Ich will nicht strafen und zerstören, auch wenn sie es verdient hätten.’“
Sünde sei daher nicht dieses oder jenes bestimmte Verhalten, sondern eine Lebenshaltung, die diese Fülle des Lebens nicht zulässt - und so das eigenen Leben oder das Leben anderer „verdaddelt“.


Die Rückfragen aus dem Publikum zeigten, wie ungewohnt so ein abstrakter, aber doch tiefgreifender Begriff von Sünde für viele ist. Die Sorge war deutlich zu spüren, dass uns Christinnen und Christen damit die Möglichkeit genommen ist, Unrecht deutlich als Unrecht beim Namen zu nennen. Nein, betonte Christiansen, Unrecht entstehe ja gerade dadurch, dass Menschen das Lebensrecht anderer nicht anerkennen, dass sie Macht haben wollen, sich über andere erheben und deren Verhalten bewerten.
Was aber trägt das alles für den Kampf mit der Bibel gegen Homophobie aus? Christiansen ermutigt Queers, gerade auch das Sündenverständnis ihres Gegenübers zu hinterfragen: „Wer die Bibel an einer Stelle wörtlich nimmt, sollte sie an jeder Stelle wörtlich nehmen - dann dürfen wir auch kein Schweinefleisch essen!“

Wichtig ist für Christiansen auch, im Gespräch immer wieder auf die Weite Gottes und seinen Lebenswillen hinzuweisen - zum Beispiel mit der Geschichte vom Regenbogen. Doch nicht nur in der Sintfluterzählung werde deutlich, dass Gott sich immer wieder selbst beschränkt und damit Raum für die Vielfalt des Lebens gitb. Auch das Kainsmal ist für Christiansen ein Symbol des Lebens: „In der damaligen Zeit wäre es völlig selbstverständlich gewesen, dass der Mord am Bruder im Rahmen der Blutrache gesühnt wird. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gott stellt sich vor den Mörder Kain und mahnt mit dem Zeichen auf seiner Stirn seine Mitmenschen: ‘Ihr würdet ihn töten, aber er steht unter meinem Schutz!’“ Wie zentral Vielfalt in der Gemeinde Gottes ist und wie unbedeutend jegliche Form von sozialen Unterschieden werden, wird für Christiansen vor allem im Galaterbrief deutlich: „Wenn Paulus im dritten Kapitel davon spricht, dass da nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau ist (Gal 3,28), dann können wir das heute problemlos weiter deklinieren: nicht Afrikaner noch Europäer, nicht Homo noch Hetero...“

Aber kann ich das alles überhaupt in einem Gespräch vorbringen, wenn das Gegenüber mich aufgrund seiner oder ihrer Homophobie so massiv angeht? Eva Burgdorf und Nils Christiansen haben beide Situationen erlebt, in denen der einzige Ausweg war, das Gespräch abzubrechen. „Es ging mir nicht gut danach“, sagt Eva Burgdorf, „ich empfand mich als gescheitert.“ Doch Schweigen, Sich-Entziehen oder eben bewusster Abbruch des Gespräch seinen bessere Reaktionen als die Emotionen immer weiter hoch kochen zu lassen. Beide empfehlen daher, sich vor und während des Gesprächs die Möglichkeiten und Grenzen eines Gesprächs deutlich bewusst zu machen und mit dem Gegenüber auch die Bedingungen für das Gespräch zu klären. Dazu kann gehören, sich auf Ich-Botschaften zu verständigen, oder bewusst über eigene Erfahrungen und Ängste zu sprechen. Wichtig sei einer Haltung des Respektes - auch, wenn das Gegenüber zunächst emotional aufgeladen und aggressiv in das Gespräch einsteigt.
Viele aus dem Publikum berichteten, dass sie selber schon erlebt haben, wie durch solche konkreten Begegnungen und gerade dadurch, dass wir Queers von unseren eigenen (Glaubens-)Erfahrungen berichten, zumindest ein Nachdenken beim Gegenüber in Gang gekommen sei. Eine Erfolgsgarantie für den Kampf gegen Homofeindlichkeit sind solche Gespräche natürlich nicht. Aber, das wurde deutlich, wir sollten die Quelle unseres Glaubens nicht durch homophobe Interpretation vergiften lassen. Zu viele Schätze sind in den biblischen Büchern auch für unseren queeren Glauben versteckt!

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