Der öffentlich-rechtliche Jugendkanal könnte aller Voraussicht nach noch vor dem Berliner Großflughafen fertig werden. G+J hat sich mit seinen LoswerdeUmzugsplänen in Sachen Neon und Nido wohl verrechnet. Der RBB ist politikfern und reformiert, führt die Programmchefin aus. In Brasilien fand schon mal die WM der Investigativjournalisten statt. In der Schweiz dreht Miriam Meckel eine Ingo-Zamperoni-Runde.
Jugendwahn is in the house. ARD und ZDF scheinen nun tatsächlich den gemeinsamen Jugendkanal wagen zu wollen.
"Vor Mitte 2015 werde der wohl nicht auf Sendung gehen, sagte der ZDF-Intendant Thomas Bellut am vergangenen Freitag. Aber dann. Der Fernsehrat seines Senders hat dem Projekt, das vor allem die ARD vorangetrieben hat, zugestimmt. Nun sind die Ministerpräsidenten der Länder am Zug."
Ist einem Text in der FAZ (Seite 35) zu entnehmen. Der stammt von Michael Hanfeld, bei dem man sich wiederum vorstellen kann, dass es einige Freude bereitet haben wird, den öffentlich-rechtlichen Stress zu erinnern, der mit den größten gemeinsamen Erfolgen verbunden ist:
"Die ARD-Intendanten Marmor und Boudgoust hatten dem ZDF bedeutet, dass es sich bewegen müsse. Der ZDF-Intendant Bellut hatte den Kollegen empfohlen, den Plan 'vom Tisch' zu nehmen – gemeint war die Idee, für den Jugendkanal die Zahl der Digitalkanäle auf insgesamt drei zu reduzieren. Jetzt hat man sich auf vier geeinigt, das ZDF kommt besser weg und – macht mit. Die Gespräche zwischen ARD und ZDF gleichen in solchen Fällen dem Hauen und Stechen bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin."
So viel zur Politikferne der Öffentlich-Rechtlichen.
"Wenn die Brandenburger Politik uns tatsächlich Programminhalte vorschreiben würde, wäre das für mich nicht vereinbar mit meiner Vorstellung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Aber ich denke, dass es in der Praxis so nicht geschehen wird."
Endet das Interview mit RBB-Programmchefin Claudia Nothelle, das Ulrike Simon geführt hat in der Berliner. Dabei würde man natürlich rasend gern wissen, wie das sonst geschieht in der Praxis, der Einfluss der Politik auf den politikfernen Rundfunk. Wonach Simon gefragt hatte: Brandenburg nimmt 230.000 Euro von der Landesmedienanstalt und gibt das Geld dem RBB, um, wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Ness sich wünschte, damit Brandenburg-Tag und Landesgartenschau zu featuren. Macht so was der RBB nicht sowieso?
Anyway. Nothelle berichtet jedenfalls von Reformleistungen am Programm, die zwar, vermaledeite Frage, keine Quotensteigerungen bewirkt hätten, aber in ARD und ZDF ist ja eh Konsens, was Nothelle so beschreibt:
"Und Quote ist nicht das einzige Kriterium."
Eben. Geht auch noch um Zuschauerzahlen. Oder Hörerzahlen. Da "schwächelt", wie es in dieser widerlichen Sportreportersprache vermutlich heißen müsste, Radio Fritz gerade, die Jugendwelle des RBB, was Nothelle auf die Höhen eines kremlastrologischen Sowohl-als-auch treibt:
"Fritz hat im gesamten Sendegebiet zugelegt, in Berlin jedoch Hörer verloren. Wir haben bei Fritz einen anderen Anspruch, sind journalistischer und muten den 14- bis 29-Jährigern mehr zu. Das begeistert nicht alle, die vorrangig wegen der Musik einschalten. Ich will es mir aber nicht bequem machen. Fritz muss den Spagat besser schaffen, die jugendliche Zielgruppe herauszufordern und trotzdem oder gerade deshalb gern eingeschaltet zu werden."
Trotzdem oder gerade deshalb: Wowinski! Einmal Hase und Igel mit den eigenen Positionen spielen, das kriegen wohl nur konferenzgestählte ARD- und ZDF-Hierarchinnen hin. Und die Leute bei Fritz werden schon wissen, was gemeint ist.
Nicht so gemeint, war offensichlich die Sache mit "Nido" und "Neon": Bei der Wegen der Die sorgsam geplante Neuordnung des Inhaltehauses G+J in sogenannte Communities inkl. Umzug der Münchner Redaktion beider Magazine, sollte könnte ja auch zur Begleiterscheinung haben, dass nicht alle umziehen wollen vom schönen München ins anders schöne Hamburg. Dass aber zu viele Stellen sich durch diesen Move selbst abbauen, war eben nicht vorgesehen. Jörg Michael Seewald in der FAZ (Seite 35):
"In Hamburg hatte man sicherlich darauf gehofft, die eine oder andere Stelle beim Umzug abbauen zu können. Aber zwei komplette Redaktionen auszutauschen, das traut man sich dann doch nicht."
Jetzt hat G+J den Salat:
"Es regt sich Widerstand in München. Die Redaktionen von 'Neon' und 'Nido', Münchner Eigengewächse und erfolgreich am Markt, sollen sich dem Vernehmen nach nahezu komplett weigern, nach Hamburg zu gehen. Zu sehr habe man die Ferne von Hamburg als beflügelnd empfunden, heißt es aus den Redaktionen. Inzwischen wird der ehemalige 'Stern'-Chefredakteur Andreas Petzold immer häufiger in München gesehen – als Troubleshooter?"
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Alle, die sich fragen, was man denn machen soll in dieser globalisierten Welt und so, könnten dem zumindest entnehmen, dass Zusammenhalten helfen kann. Aber wie sollte sich das dauerhaft vermitteln in einer Welt, in der die Namen der begehrtesten Technikprodukte alle mit "Ich" anfangen?
[+++] Teil der Jugendbewegtheit dieser Kolumne am heutigen Tag muss natürlich Helmut Höges langer, langer Text über die taz2 sein. Die ist zehn Jahre alt geworden am gleichen Tag wie Höge 66 (18. Oktober). Aus diesem Anlass muss nun etwas im Grunde ziemlich Selbstbezügliches geschrieben werden, das sich durch die Überführung in einen Text von Höge (der nicht umsonst als Doyen der Pollerforschung gilt) aber wiederum sehr schön liest.
"Wenig später zwängte man von oben auch noch den taz-Archivaufbauer und Dokumentar zwischen die taz2- Schreibtische, der das ironiefreie taz-Gewissen bis zuletzt verteidigte. Er ging gerade in Rente. Beide Zuzügler von oben waren Abtrünnige, die ein gewisses Maß an Professionalität aufrechterhielten, obgleich die Profession mehr oder weniger fertig mit ihnen war."
So schlunzt es sich durch. Man würde diesen Stil aus Sympathie und Kritik am liebsten Claudia Nothelle & Friends verordnen – eine andere Welt wäre möglich.
"Die taz2 interviewte Norman Paech, der eben noch auf einem palästinensischen Schiffskonvoi mitgefahren war, mit dem man versuchte, die israelische Seeblockade zu durchbrechen. Spannend! Danach interviewte man einen Regisseur, der einen 'Kiel-Krimi' für die ARD abgedreht hatte."
Apropos spannend: Stefan Niggemeier hat den – auch noch – "großen" WDR-Haushaltscheck gesehen durchgehalten. Es ging ums (Kleider)Waschen, eine noch relativ junge Kulturpraxis:
"Der Mittelteil der Sendung war dann nicht mehr so spannend. Die WDR-'Fachkraft' ließ sich die fiesen Flecken zeigen, die beim Football-Spielen entstehen, fand heraus, dass Waschmaschinen tatsächlich Socken auffressen können, ließ sich erklären, dass man eigentlich keine 17 verschiedenen Spezialwaschmittel braucht, und machte den ekligen Bakterienschleim aus der Maschine einer Familie weg."
In irgendeinem ARD-Gremium wird dazu jemand Bildungsauftrag sagen. Niggemeiers sagt aber:
"Der durchschnittliche Zuschauer des WDR-Fernsehens ist über 60 Jahre alt. Er kann aber wenigstens nicht behaupten, von seinem Sender nicht wie ein Achtjähriger behandelt zu werden."
+++ Zurück zu den erwachsenen Themen. Thomas Schuler war in Brasilien beim "World Cup of investigative journalism", einem Branchentreffen, das stetig gewachsen ist, wie man Schulers Text in der SZ erfahren kann, auch am Beispiel deutscher Beteiligung: "Das deutsche Netzwerk Recherche war eines der Gründungsmitglieder des Welttreffens, aber erstmals war diesmal eine größere Zahl von deutschen Journalisten vor Ort, die Stern, Spiegel, den Springer-Verlag, die Funke-Gruppe und die ARD vertraten. Wenn die Kollegen aus China, der ehemaligen Sowjetunion und Afrika von Drohungen und Angriffen berichteten, kamen sie sich klein vor mit ihren Sorgen über die langen Wartezeiten der Informationsfreiheitsgesetze." Schuler berichtet auch für die NZZ und zwar tollerweise mit einem eigenständigen Text, der sich eher mit dem Star der Veranstaltung befasst: "Er kam in Begleitung von Leibwächtern und trug einen schwarzen Rucksack mit sich. Das wäre verständlich, wenn er aus einem anderen Land oder einer anderen Stadt angereist wäre. Aber er wohnt in genau jenem Stadtviertel von Rio de Janeiro, in dem sich vier Tage lang mehrere hundert investigative Journalisten aus aller Welt trafen, um über ihre Recherchen und kommende gemeinsame Projekte zu sprechen. Das Treffen gilt als «World Cup of investigative journalism», als das es die amerikanische Knight Foundation bezeichnet. Greenwald ist der Star der Stunde." +++ Rainer Stadler schickt in der NZZ vom Schreibtisch seiner Kolumne noch ein wenig mahnende Worte hinterher. Die Begeisterung für investigativen Journalismus hat eine Kehrseite. "Doch die Medienbranche tendiert zu einer Zweiklassengesellschaft: auf der einen Seite die auf Effizienz getrimmten Newsroom-Redaktionen, die im Sperrfeuer der Minuten-News blind zu werden drohen, auf der andern Seite die kleine Elite der Schnüffler, welche die Medien als Zeichen ihres Engagements für die journalistische Qualität vermarkten." +++
+++ Immer noch Schweiz: Andreas Zumach berichtet in der TAZ, dass der Tagi-Chefredaktor Res Strehle und die St. Galler-Medienwissenschaftsprofessorin Miriam Meckel für eine Woche einen "Sesseltausch" gewagt hatten. Das Resümee liest sich dann fast, als habe der Sinn vons Ganze darin bestanden, Meckel den Erwerb des großen Seepferdchens im Ozean des Zeitungmachens zu ermöglichen, not to say: die Ingo-Zamperoni-Runde zu machen: "Den Artikel für die von ihr konzipierte Samstagsausgabe schrieb Meckel am Freitagmorgen um 6 Uhr. Online-Leiter Sam Reber sieht Meckel nach diesem Gastauftritt sogar als 'eine Topkandidatin, wenn bei uns der Chefredakteursposten frei wird'." +++ Strehle und Meckel haben ihre Erfahrungen selbst bilanziert. +++
+++ Funny: Jürgen Schmieder besucht für die SZ (Seite 31) Hollywoods Ersten Schmied – Tony Swatton, der auf Youtube zu sehen ist. "Jede seiner Waffen ist handgefertigt, er benutzt keinen Computer. 'Ich bin ein altmodischer Schmied', sagt er. Seine Schmiede befindet sich direkt hinter dem Laden, an der Wand ist das Rohmaterial geordnet, manche Stücke sind mehr als 200 Jahre alt. In zwei Öfen erhitzt er das Material auf mehr als 1300 Grad, nach dem Formen und Schleifen beginnt die Feinarbeit. Swatton ist ausgebildeter Edelsteinschleifer und Goldschmied, er verziert jedes Stück selbst." +++
+++ Fernsehhinweise: Patrick Bahners ist in der FAZ (Seite 35) von Alec Baldwins Nate-Light-Sendung angetan: "Ein ausführliches Gespräch ohne künstlichen Streit kann aufklärend wirken – das ist die verrückte Idee der Nachtstunde mit Alec Baldwin." +++ Im Tagesspiegel bespricht Thomas Gehringer einen Dokumentarfilm über sexuellen Missbrauch durch einen amerikanischen Priester auf Arte ("Mea Maxima Culpa – Stille im Haus des Herrn", 20.15 h) : "Seit 1963 wussten die Kirchenoberen Bescheid. Da hatte eines der Kinder einem anderen Priester, der Murphy zeitweise vertrat, von den Übergriffen erzählt. Und der weihte den Erzbischof ein. Es geschah: nichts. Einige der Opfer entschlossen sich nach Jahren, zur Polizei zu gehen." +++ In der SZ (Seite 31) schreibt Martina Knoben über den Film: "Gibney, der immer wieder Machtmissbrauch thematisiert hat in seinen Filmen, untersucht hier einen frühen Fall, der besonders widerlich ist. Die Lämmer, auf die es dieser Seelenhirte und Wolf abgesehen hatte, waren nämlich besonders wehrlos. Der Pater wählte Kinder aus, die sich niemandem mitteilen konnten, weil ihre Eltern kein Gehörlosentelefon hatten und deshalb unerreichbar waren oder die Gebärdensprache nicht beherrschten, weshalb die Kinder nicht erzählen konnten, was man ihnen antat." +++ Laura Wösch würdigt in der TAZ die upcoming Hayao-Miyazaki-Retrospektive auf Arte: "Hayao Miyazaki, Koryphäe der japanischen Anime-Kunst, gilt als Vermittler zwischen scheinbar unvereinbaren Welten. Gemeinsam mit seinem künstlerischen Weggefährten Isao Takahata ist er Gründervater der legendären Ghibli-Studios, die zunächst mit den Zeichentrickserien 'Heidi' und 'Biene Maja' und schließlich mit preisgekrönten Filmen wie 'Das wandelnde Schloss' (2004) Weltruhm erlangten." +++
+++ Im KSTA schafft es Martin Weber tatsächlich, die zweite Staffel "Weissensee" zu preisen. Der Trick: Nicht über das Filmische sprechen, sondern die richtige Einstellung loben. "Die bestehenden gesellschaftlichen beginnen zum Staffelfinale von 'Weissensee' zu bröckeln, immer mehr Bürger stellen die SED-Diktatur nicht nur infrage, sondern beginnen auch, dagegen aufzubegehren. Und genauso, wie es mit dem Arbeiter- und Bauernstaat rasant bergab geht, fahren die Familien Kupfer und Hausmann emotional die Rolltreppe abwärts." Die moralische Fernsehkritik: Weil 1989 doch so schön war, ist es auch jeder Film über die Zeit. +++
Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.